Rituale im Kindersport

Definition von Ritualen

Rituale sind komplexe und vielseitige Phänomene menschlichen Zusammenlebens. Seit vielen Jahren haben sich verschiedene wissenschaftliche Fachrichtungen damit auseinander gesetzt.

Seit einiger Zeit erforschen Anthropologen, Soziologen, Theologen, Erziehungswissenschaftler und (Sport-)Psychologen die Besonderheiten und Eigenschaften von Ritualen für ihren spezifischen Bereich und setzen diese bewusst anhand ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse ein. Während einige Wissenschaften eher historisch arbeiten, ist vor allem im Bereich der Erziehung im frühen Kindesalter und dem Einsatz sowie der Bedeutung von Ritualen im Unterricht bisher noch wenig wissenschaftlich erforscht (vgl. Maloney, 2000 ; Scully, Howell, 2008 ).

Als Ritual wird eine bestimmte Art einer Handlung, eine bestimmte Art der Kommunikation durch Zeichen, Gesten und Symbole oder auch das Aufrechterhalten von sozialer Ordnung und Struktur bezeichnet. Rituale finden sich innerhalb von Gesellschaften und Kulturen, aber auch von Familien und Gruppen. Selbst bestimmte Normen einer Gesellschaft können durch Rituale ausgedrückt werden, bzw. sind ritualisiert. Sie zeigen sich in typischen Verhaltensweisen, welche symbolischen Charakter für die Beteiligten haben.

Eine sich wiederholende Handlung

Der Begriff «Ritual» kommt aus dem lateinischen und hat ursprünglich zwei Bedeutungen: Einerseits eine spirituell bzw. religiöse Handlung und andererseits ein «wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmässiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung» (www.duden.de). Demnach ist ein Ritual eine – sich in gleichen Situationen immer wiederholende – Handlung nach vorgegebenen Schema, welche häufig von bestimmten Wortformeln und Gesten begleitet wird.

Entsprechend gelten Rituale als Interaktion mit den Mitmenschen und der Umwelt und vereinfachen bestimmte Kommunikationsabläufe. Rituale finden vorwiegend in sozialen Kontexten statt, sie können jedoch auch individuelle Verhaltensweisen prägen.

Rituale dienen nach Karl Bücher (1924)  insbesondere der Rhythmisierung zeitlicher und sozialer Abläufe. Für unsere Gesellschaft bekannte gesellschaftliche (soziale) Rituale sind zum Beispiel Formen der Begrüssung und Verabschiedung, eine gewisse Körperdistanz bei der Kommunikation mit fremden oder bekannten Mitmenschen. Diese Form von Ritualen wird als Interaktionsritual bezeichnet. Weiter gibt es zyklische Rituale, die unter anderem den Tagesablauf strukturieren (z.B. Morgenrituale, Mittagspausen, usw.) oder auch monatliche oder sich jährlich wiederholende Rituale, zu denen Feiern wie Geburtstage sowie religiöse bzw. kulturelle Feste dazu gehören.

Wichtig ist, die beiden Begriffe der Routine und des Rituals voneinander zu unterscheiden. Während von routinierter Handlung vorwiegend in der Psychologie gesprochen und damit der problemlose und reibungslose Ablauf einer Handlung bezeichnet wird, beinhaltet ein Ritual zusätzlich eine absichtliche und besondere Bedeutung der Handlung. Rituale stärken Individuen und verbinden Gruppenmitglieder untereinander (vgl. Greenman, 1998).

Charakteristika

Charakterisierend für Rituale sind folgende Indikatoren (vgl. Maloney, 2000, S. 144):

  • Rituale sind von Personen, kulturell oder gesellschaftlich verordnet und institutionalisiert.
  • Sie sind formalisiert und allen Beteiligten bekannt.
  • Rituale weisen eine Wiederholungsstruktur auf (d.h. sie treten repetitiv und in einem bestimmten Rhythmus auf), wie z.B. die Begrüssungskultur von Kindern und Jugendlichen auf dem Pausenhof.
  • Häufig sind Rituale traditionell und bestehen über einen langen Zeitraum hinweg. Sie lassen sich jedoch auch anpassen, verändern oder erweitern. Ebenso können neue Rituale eingeführt und umgesetzt werden.
  • Rituale sind kollektiv, d.h. sie werden (meistens) gemeinsam in einer Gruppe ausgeführt und verbinden die Gruppenmitglieder untereinander.
  • Rituale sind symbolisch, absichtlich und funktional, d.h. sie bringen zusätzlich zur eigentlichen Handlung immer noch eine weitere Funktion mit, wie z.B. Aufmerksamkeit erlangen oder Ruhe stiften, den Beginn oder das Ende einer Handlung markieren, Zusammenhalt fördern, etc.

Es sind zwei Level innerhalb von Ritualen zu unterscheiden: Einerseits das offenkundige und sichtbare Level, welches das Verhalten oder die Tatsache, bzw. die Handlung per se beinhaltet (z.B. Ruhe und Aufmerksamkeit erlangen für die Begrüssung oder eine neue Aufgabenstellung). Und andererseits das unsichtbare oder sich dahinter verbergende Level, welches eine tiefliegende Bedeutung und Absicht durch die initiierte Handlung mit sich bringt, wie beispielsweise die Rhythmisierung zwischen Belastungs- und Ruhephasen (Intensitätsregulierung).