Wahrnehmung schulen
Bewegung stärkt Körperwahrnehmung, Körperwahrnehmung stärkt Bewegung. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Ohne bewusstes oder unbewusstes Erfassen der Stellung und Bewegung der einzelnen Körperteile können wir keine Bewegung steuern.
Körperwahrnehmung – Kinästhetik – Tiefensensibilität – Propriozeption sind verschiedene Worte für die gleiche Sinneswahrnehmung; das Empfinden des eigenen Körpers, das Empfinden von Lage und Bewegung. Es handelt sich um die Fähigkeit, Richtung und Geschwindigkeit einer Bewegung wahrzunehmen, sich des Muskeltonus’ und der Veränderung der Körperhaltung bewusst zu werden. Dabei werden drei Sinne unterschieden:
- Mit dem Stellungssinn wissen wir, auch ohne es zu sehen, wie und wo unsere Körperteile sich befinden. Er dient zur Orientierung über die Stellung der Gliedmassen.
- Der Bewegungssinn meldet das Ausmass der eigenen Bewegung. Sei es, wenn wir uns bewegen oder in Ruhe und ermittelt gleichzeitig die Körperlage.
- Der Kraftsinn (oder auch Widerstandssinn) dient der Dosierung des Krafteinsatzes und der Feststellung des Widerstandes, gegen den eine Bewegung durchgeführt wird.
Diese drei Sinne liefern wesentliche Informationen für die Eigenwahrnehmung des Körpers (Propriozeption). Die Beispiellektionen fokussieren jeweils auf die gezielte Schulung von einem dieser Sinne.
Frei von Leistungsdruck üben
Das Training der Wahrnehmung braucht ein bewusstes Wahrnehmen, da wir nicht davon ausgehen können, dass es einfach implizit gelernt wird. Um sich auf die eigene Körperwahrnehmung und die Selbstwahrnehmung konzentrieren zu können, braucht es Zeit sowie einen Fokus ohne Ablenkung. Daher sollten die Übungen frei von Leistungsdruck und von Wettkampfgedanken sein. Nur so kann der Fokus bei sich selbst liegen und nicht auf der Leistung.
Auch das Üben mit einem Partner bringt Vorteile. Denn die Dosierung einer Bewegung und der Kraft sowie die Wirkung des eigenen Tuns können am besten mit einem Gegenüber – wettkampffrei – geübt werden. Damit fokussiert, physisch und psychisch unversehrt die Wahrnehmung geschult werden kann, ist ein achtsamer und respektvoller Umgang mit sich und dem Gegenüber nötig.
Intensive Selbstbeobachtung
Entspannungsübungen eignen sich ebenfalls sehr gut, um den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen und um zu spüren, was angenehm ist und die Sinne insgesamt zu sensibilisieren. Eine intensive Beobachtung der eigenen Körpersignale, Gefühle und Gedanken sowie die erhöhte Achtsamkeit für das, was um uns herum geschieht, ist Voraussetzung für empathisches Verhalten.
Schulen wir gezielt die Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen, geht es nebst der Körperwahrnehmung immer auch um Selbstwahrnehmung.
für alles, was um uns herum geschieht. Wer sich selbst spürt und wertschätzt, dem fällt es leichter, andere mit ihren Empfindungen und
Bedürfnissen wahrzunehmen und zu achten.
Vielseitige Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen sind eine wichtige Grundlage menschlicher Handlungsfähigkeit und der Identitätsentwicklung. Sie sind wichtig für den Aufbau eines positiven Selbstkonzepts. Dafür müssen die Erfahrungen in einer selbstbestimmten, sinnvollen, wohlwollenden und wertschätzenden Umgebung stattfinden und Möglichkeiten zu Erfolgserlebnissen bieten. Diese treten verstärkt auf, wenn die Bewegungserfahrung aus dem Kind selbst heraus geschieht und der Fokus auf individuelle Fortschritte und Gemeinschaftserlebnisse liegt, statt auf Sieg und Niederlage (siehe auch Karte 22, Kartenset «Gute J+S Aktivitäten – Vermitteln»).
Leiter, Trainer können die Körperwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen dank fokussiertem Anleiten der Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper sowie das Umfeld im Trainingsalltag schulen. Dazu braucht es Zeit, respektvolle Partner und ein leistungsdruckfreies Übungssetting.