Emotionen im Sport

Die wichtigste Nebensache der Welt

Emotionen nehmen im sportlichen Geschehen eine sehr wichtige Rolle ein, und zwar nicht nur für den Sportler selbst, sondern ebenso für alle Beteiligten. Emotionen entstehen beim sportlichen Handeln und können wiederum selbst die sportliche Aktivität beeinflussen. Einige Fallbeispiele.

Insbesondere im Leistungssport entscheiden nicht selten emotionale Regungen über das Leistungsresultat. Das Erleben bestimmter Emotionen kann einerseits dazu führen, dass Sportler nicht jederzeit dazu in der Lage sind, ihr vorhandenes Leistungsvermögen voll abzurufen, zu nutzen und umzusetzen. Andererseits können sie aber durchaus auch einen positiven, fördernden Einfluss auf die Leistung haben. Wie sich diese Effekte genau manifestieren, soll anhand einiger Beispiele zu den Basisemotionen Freude, Wut, Überraschung, Trauer und Angst erläutert werden.

Freude

Emotionen im Sport: Freude

Die Emotion Freude ist stets mit einem Verhalten verbunden, das auf Annäherung ausgerichtet ist. Durch Freude schüttet unser Körper sogenannte Glückshormone aus, was sich unter anderem positiv auf unsere Schmerzempfindung auswirken kann. Annäherungsverhalten im Sport könnte mit Leistungsstreben, zielgerichtete Aktivität, Anstrengung usw. assoziiert werden.

Lerntheoretisch gesehen wirkt sich eine Emotion wie Freude förderlich auf die Aufrechterhaltung der Leistungsmotivation oder ganz allgemein auf die Motivation den Sport zu betreiben aus. Was aus einer motivationalen Perspektive durchaus als positive Konsequenz bewertet werden kann. Hier ist jedoch die Unterscheidung zwischen Spitzensport und einer pädagogischen Situation im Schulsport nötig.

Bruce, ein 14-jähriger Junge schiesst im Schulsport kurz vor Lektionsende ein Tor, bringt seine Mannschaft dadurch in Führung und letztendlich zum Sieg. Die Freude bei ihm und seinem Team ist riesig. Für seine Mitschüler deshalb, weil sie gewonnen haben und sie es der Gegenmannschaft wieder einmal «gezeigt haben», und bei Bruce, weil er zusätzlich auch noch ein persönliches Erfolgserlebnis erfahren hat.

Oberste Aufgabe des Schulsports ist es, bei allen Kindern und Jugendlichen die Freude an der Bewegung und am gemeinschaftlichen Sporttreiben zu wecken und die Einsicht zu vermitteln, dass kontinuierliches Sporttreiben, verbunden mit einer gesunden Lebensführung, sich positiv auf ihre körperliche, soziale, emotionale und geistige Entwicklung auswirkt. Den Spass am Sport zu fördern, scheint dabei der beste Weg zur Erreichung dieses Ziels zu sein.

Im Spitzensport hingegen ist der Spass zwar auch wichtig, aber eben nur einer unter vielen Faktoren, auf die es im Sport ankommt. Im Spitzensport wird das Hauptaugenmerk viel eher auf die Leistung und deren Optimierung gelegt.

Raul, ein 25-jähriger Profifussballer der Berner Young Boys, schiesst in einem wichtigen Match gegen den FC Basel kurz vor Schluss, in der 87. Minute, das hart erkämpfte und lang ersehnte Ausgleichstor. Die Menge tobt, die Mannschaft ist in grosser Euphorie. Doch schon ist das Spiel wieder voll im Gange und die Basler haben auch schon zum Gegenangriff angesetzt. Obwohl völlig erschöpft vom intensiven, hauptsächlich von der Gegenmannschaft dominierten Spiel, kämpfen die Young Boys weiter, beissen sich durch und geben alles, um den für sie positiven Spielstand bis zum Schluss halten zu können.

Die Begeisterung bei und für die Young Boys hat sich einerseits bestimmt positiv auf den Spielverlauf der Berner ausgewirkt. Freude wird mit annäherndem Verhalten gleichgesetzt, was in diesem Zusammenhang vermutlich zu noch grösserer Anstrengung und Motivation ein weiteres Tor zu schiessen geführt hat. Zudem konnten die Spieler trotz grosser physischer und psychischer Erschöpfung bis zum Schluss vollen Einsatz geben und möglicherweise sogar noch über ihre Grenzen hinausgehen, da Freude wie erwähnt auch zu einer verminderten Schmerzempfindung führt. In der Regel werden positive Emotionen daher zwar auch für den Leistungsprozess positiv gesehen, wobei dies sicherlich nicht uneingeschränkt gilt.

Wut

Emotionen im Sport: Wut

Die ursprüngliche biologische Funktion von Wut ist die Zerstörung. Der Mensch wurde durch das Erleben der Emotion automatisch auf ein Angriffsverhalten vorbereitet, welches darauf abzielt, Hindernisse zu beseitigen, die der Befriedigung wichtiger Bedürfnisse im Wege stehen. Wut kann somit, wie die Freude auch, mit einer Annäherungstendenz in Beziehung gesetzt werden. Dabei sind jedoch die dahinterstehenden Motive zu unterscheiden.

Im genannten Beispiel ist das grösste Ziel beider Mannschaften ganz klar der Sieg. Jedes Hindernis, das sich ihnen im Erreichen dieses Ziels in den Weg stellt, erschwert die Befriedigung eines wichtigen Bedürfnisses. Dadurch, dass YB in der 87. Minute das Ausgleichstor schiesst, wird der mögliche Matchgewinn auf Seiten der Basler deutlich bedroht, was beim FC Basel zu Wut oder zu etwas milderen Formen wie Ärger, Frust oder negativer Überraschung führt.

In diesem konkreten Fall hat sich die so entstandene Emotion aus Sicht der Basler positiv auf das Spielgeschehen und die Leistung ausgewirkt. Sogleich setzten sie zum Gegenangriff an, um das Hindernis auf dem Weg zum Sieg sprich, das Ausgleichstor der gegnerischen Mannschaft ungeschehen zu machen. Auch wenn sie am Ende trotzdem nicht als Sieger vom Feld gegangen sind, haben sie in den verbleibenden Minuten noch einmal vollen Einsatz gezeigt und mit gesteigerter Risikobereitschaft gespielt.

Eine erhöhte aggressive Verhaltensausrichtung und damit einhergehend eine erhöhte Anzahl Regelwidrigkeiten könnten dabei jedoch mögliche unangebrachte Nebenwirkungen sein

Überraschung

Emotionen im Sport: Überraschung

Überraschung wurde einst definiert als eine durch ein unerwartetes Objekt ausgelöste Emotion, welche der Orientierung in einer für die Person neuen oder fremden Situation dient.

Das Tor der Berner in der 87. Minute kann als solch unerwartetes Ereignis bezeichnet werden. Die emotionale Reaktion darauf kann daher neben Wut auch Überraschung sein. Der Mensch unterzieht jede gemachte Erfahrung automatisch und zum Teil unbewusst einer Gut-Schlecht-Bewertung. Zusätzlich untersucht er sie dabei auch hinsichtlich einer möglichen Diskrepanz zwischen dem aktuellen Zustand und dem erwünschten Zustand (Ist-Soll-Wert-Vergleich).

Vergrössert das Geschehene den Abstand zum Zielwert, bekommt die Überraschung eine negative Färbung, minimiert sie die Diskrepanz hingegen, wird die Überraschung als positiv erlebt. In unserem Beispiel ist nicht schwer zu erraten, welche emotionale Ausrichtung die Überraschung bei den Baslern durch das Ausgleichstor der Berner einnimmt. Eine emotional negative Überraschung kann sich schnell einmal in Frust oder Ärger umwandeln oder sie könnte einem in eine Art Schockzustand versetzen, was die optimale Handlungsumsetzung und eine gute Leistung verzögern könnte.

Trauer

Emotionen im Sport: Trauer

Trauer wird als Reaktion auf den Verlust von etwas Wichtigem, das man besessen hat oder dessen man sich erfreute gezeigt. Im Sport handelt es sich bei der emotionalen Reaktion meist nicht um Trauer als solche, sondern viel eher um eine mildere Form dessen – die Enttäuschung über eine Niederlage oder einen persönlichen Misserfolg.

So hätten die Basler nach dem Tor der Young Boys Enttäuschung empfinden können, was zu einer Beeinträchtigung ihrer Leistung und Motivation geführt hätte. Da das Spiel jedoch noch nicht zu Ende war, wurde diese Emotion vorübergehend unterdrückt und stattdessen Wut empfunden. Nach Spielschluss war die Enttäuschung jedoch bestimmt vorhanden. Die Basler haben bloss ein Unentschieden erreicht, obwohl sie den Sieg praktisch schon in der Tasche hatten.

Trauer und Enttäuschung sind Emotionen, deren negative Folgen sich eher langfristig bemerkbar machen. Besonders die Motivation, sich weiterhin sportlich zu aktivieren und wichtige Ziele zu verfolgen, könnte darunter leiden. Dieser Emotion kommt daher, wiederum aus motivationaler Perspektive, im Schulsport grosse Bedeutung zu, da sich gerade Kinder sehr von Misserfolgen beeinflussen lassen und so schnell die Lust an einer Sportart verlieren.

Angst

Emotionen im Sport: Angst

Angst dient im Gegensatz zur Wut nicht der Zerstörung, sondern dem Schutz. Erleben wir eine unspezifische Stressreaktion, unterziehen wir die Situation automatisch einer Bewertung. Schätzen wir uns stärker als das Stress auslösende Objekt ein, führt dies zum Empfinden von Wut. Schätzen wir uns jedoch schwächer ein, resultiert daraus ein Gefühl der Angst.

Das Verhalten ist nicht auf Annäherung, sondern auf Vermeidung ausgerichtet. Werden wir Menschen bedroht, zeigen wir ein Verhalten, welches darauf abzielt, uns vor Gefahr und Schaden zu schützen. Es umfasst Flucht, Rückzug sowie alle anderen Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Distanz zwischen der Gefahrenquelle und dem Individuum zu vergrössern. Angst entsteht also, wenn wir uns in einer unspezifischen Stressreaktion befinden.

Angst ist im sportlichen Geschehen ein überall anzutreffendes Phänomen. Der kleine Junge im Schulsport hat Angst zu versagen und dadurch bei den Mitschülern ausgelacht zu werden, während ein Profisportler Angst davor hat, die von ihm erwartete Leistung nicht erbringen zu können und dadurch die Chance auf einen Podestplatz zu verlieren. Angst kann ähnlich wie die Emotion «Freude» zu einer eingeschränkten Aufmerksamkeit führen.

Neben kognitiven Auswirkungen kann die Angst aber auch eine allgemein erhöhte physische Erregtheit oder eine Hemmung des motorischen Verhaltens zur Folge haben. Eine ängstliche Person kann somit nicht die Leistung erbringen, zu welcher sie eigentlich fähig wäre.