Welche Lernmethode für ein effizientes Techniktraining?
Technische Fortschritte sind ein fester Bestandteil der Ziele, die sich Athletinnen und Athleten setzen. Den Trainerinnen und Trainern fällt es nicht immer leicht, die richtige Lehrmethode zu finden. Wie lässt sich vermitteln, was man erreichen will? Auf welche Wirkung zielt man ab? Und wann soll sie sich einstellen?
Blog-Beiträge der Trainerbildung Schweiz (TBS)
Die Trainerbildung Schweiz (TBS) baut ihr digitales Angebot zur Unterstützung von Trainerinnen und Trainern stetig aus. Dazu publizieren wir regelmässig spannende Blog-Beiträge sowie Tipps und Tricks für Training und Wettkampf.
Autor: Charles Pralong, französischsprachiger Mitarbeiter, Trainerbildung Schweiz (TBS)
In diesem Blog-Beitrag beleuchten wir im Sportbereich häufig eingesetzte Lernmethoden. Wählen Sie aufgrund ihrer Eigenheiten daraus im richtigen Moment die passenden aus, um Ihre Athletinnen und Athleten auf dem Weg an die Spitze noch besser unterstützen zu können.
Wenn Sie regelmässig mit Spitzensportlerinnen und -sportlern arbeiten, jonglieren Sie wahrscheinlich mehr oder weniger bewusst bereits mit diesen unterschiedlichen Methoden. Selbstverständlich kann, was beim einen Athleten rasch funktioniert, bei einem andern allenfalls länger dauern. Ihre eigene Erfahrung und die Tatsache, dass Sie Ihre Athletinnen und Athleten gut kennen, erlauben Ihnen, jeden Einzelnen adäquat anzuleiten (Fuchslocher, 2021).
1. Traditionelles Techniktraining
Grundlagen: Ist von Techniktraining die Rede, kommt einem wahrscheinlich als erste Methode dessen traditionelle Form in den Sinn. Die Übungen sind als Serien ausgelegt und vom Einfachen zum Komplexeren hin aufgebaut. Gefragt ist eine grosse Zahl Wiederholungen, wie im Übrigen bei allen andern Methoden auch.
Anweisungen: Die Trainerin oder der Trainer gibt die Lösung der gestellten motorischen Aufgabe – also die ideale Technik – von allem Anfang an vor, und zwar mit Anweisungen und/oder Erklärungen, Demonstrationen, Bildern oder Videos. Die Fehlerbehebung erfolgt, wenn beim Lösen der gestellten Aufgabe von der geforderten Technik abgewichen wird.
Feedback: Sobald der Athlet oder die Athletin die Übung absolviert hat, gibt der Trainer öfter ein klares, mündliches Feedback innerhalb einer Minute. Insofern steht er ständig im Zentrum des Prozesses.
Ergänzungen/Empfehlungen: Diese Methode vermittelt den Athletinnen und Athleten Sicherheit; sie fühlen sich von ihrem Trainer / ihrer Trainerin geführt. Fortschritte stellen sich rasch ein, aber die Lenkkurve flacht schnell ab. Diese sehr explizite Methode empfiehlt sich also kurz vor einem wichtigen Ereignis oder zur Ergänzung anderer, offenerer Methoden. Wenn langfristig Fortschritte erzielt werden sollen, nehmen die Athletinnen und Athleten deren Stagnieren und einen sinkenden Freiheitsgrad wahr.
2. Selbstgesteuertes Techniktraining
Grundlagen: Das selbstgesteuerte oder selbstregulierte Techniktraining zeichnet sich durch ein gewisses Mass an Freiheit für die Athletinnen/Athleten aus. Sie wählen etwa die Übungen, die Häufigkeit des Feedbacks oder die Art aus, wie sie es erhalten, was deren Autonomie, Kompetenzgefühl, Motivation, Freude und Engagement (Wulf, 2010) fördert.
Anweisungen: Die Trainerin/der Trainer schlägt Aufgaben, eine Auswahl von Übungen sowie Lösungsansätze vor. Der Athlet/die Athletin legt die Technik-Session mit der Trainerin / dem Trainer fest.
Feedback: Wie oben angemerkt, wählt der Athlet die Feedbacks aus. Um das Kompetenzgefühl zu stärken, ist es hilfreich, auch bei korrektem Ausführen ein Feedback zu geben.
Ergänzungen/Empfehlungen: Das Wahrnehmen der Bewegungen und der Orientierung der Körpersegmente im Raum erfordert eine gewisse Reife. Deshalb müssen die vom Trainer zur Auswahl gestellten Aufgaben usw. der Entwicklungsphase des Athleten entsprechen. Sinnvollerweise wird diese Methode deshalb für Athleten der Stufen T3 bis M verwendet. Wählt der Trainer diese Methode, muss er bereit sein, auf alle Bedürfnisse des Athleten einzugehen, wie breit sie auch gefächert seien. Diese Methode lässt sich gut zum Erreichen eines kurz- wie eines langfristigen Ziels einsetzen.
3. Metaphern/Analogien
Grundlagen: Mit Metaphern und Analogien lässt sich die an die Athletinnen/Athleten adressierte Informationsmenge reduzieren. Die im Gehirn entstehenden Assoziationen halten den Athleten dazu an, Bewegungsmodelle zu verwenden und anzupassen, die er bereits beherrscht.
Anweisungen und Feedback: Anweisungen und Feedback erfolgen ausschliesslich mit Metaphern, Bildern und Analogien. Anweisungen technischer Art (etwa: Beugen des linken Knies) sind bei dieser Methode nicht erwünscht, ausser sie werden mit einer anderen Methode ergänzt, bei der eine präzisere Aufgabe zu erläutern ist.
Ergänzungen/Empfehlungen: Die oft bei Jüngeren (F1 bis T2) angewandte Methode kann sich auch dann eignen, wenn sich die Athletin / der Athlet eine falsche Vorstellung von der Bewegung macht. Der implizite Charakter dieses Ansatzes erlaubt eine langfristige Verankerung und passt deshalb zu einer relativ langen Vorbereitungsphase. Allerdings ist diese Methode auch im Wettkampf nützlich, wenn sich die Athletin / der Athlet (F3 bis E2) vor dem Ausführen der technischen Geste die Metapher oder Analogie vergegenwärtigen kann. Zahlreiche Beispiele für Metaphern finden sich im Monatsthema 04/2015: Off-Snow-Training für Skilanglauf auf mobilesport.ch.
4. Constraints-led Approach
Grundlagen: Bewegungen sind das Ergebnis einer Interaktion zwischen Wahrnehmen und Handeln unter dem Einfluss dreier Einschränkungen, nämlich der Eigenheiten der Athletin / des Athleten, des Umfelds und der Aufgabe (Newell, 1986). Hier geht es darum, diese Einschränkungen sinnvoll zu steuern, um die Ausführung der angestrebten Technik zu provozieren.
Anweisungen: Die Trainerin / der Trainer konzipiert eine Lernsituation mit einer gegebenen Einschränkung. Diese Lernsituation zielt darauf ab, in Abhängigkeit vom Handeln und Wahrnehmen adäquate Bewegungserfahrungen zu fördern. Erläuterungen zur idealen Technik sind nicht notwendig, aber oft ist die Kombination mit einer anderen Methode hilfreich.
Feedback: Es fokussiert auf die auferlegte Einschränkung, also die Lernsituation. Feedbacks zur technischen Ausführung selbst können erfolgen, wenn eine Kombination von Methoden eingesetzt wird.
Ergänzungen/Empfehlungen: Diese hauptsächlich implizite Methode erfordert eine gewisse Eingewöhnungszeit. Die Athletinnen/Athleten wählen die beste Technik zum Lösen der von der Übungsanlage/Einschränkung diktierten motorischen Aufgabe selbst. Mittel- und langfristig lassen sich damit sehr interessante Wirkungen erzielen. Dieser von einer Einschränkung ausgehende Ansatz eignet sich deshalb bestens in der Vorbereitungsphase für die Stufen F1 bis M. Die Verbesserung der Technik des Flankens (Hereingabe) im Fussball ist dafür ein gutes Beispiel. Eine mögliche Übung besteht darin, mit gegnerfreien Korridoren an beiden Seiten des Spielfelds drei gegen drei zu spielen, mit Torschuss nach einer Flanke. Diese Einschränkung zwingt dazu, über die Flügel zu spielen und fördert die Technik des Flankens. Andere Beispiele aus dem Spitzensport präsentieren Dehghansai et al. (2020).
5. Video-Feedback
Grundlagen: Der Einsatz von Videos beim Techniktraining ist im Leistungssport heute gang und gäbe. Dank den neuen Technologien und ihrer Vielfalt eröffnen sich allerlei Möglichkeiten, etwa eine flexible Anpassung an die Trainingsbedingungen, das Auswählen der Medien oder das Variieren der Geschwindigkeit, mit der ein Bewegungsablauf visioniert wird. Konzentrieren wir uns auf das Video-Feedback, das die Trainerin / der Trainer vor Ort gibt.
Anweisungen: Die Athletinnen/Athleten werden mit expliziten verbalen oder nonverbalen Instruktionen zum Ausführen einer Bewegung oder motorischen Aufgabe aufgefordert. Die Trainerin / der Trainer kann sie auch vormachen oder das Zeigen eines Videoclips/-modells der Technik anbieten. Im zuletzt genannten Fall ist es sinnvoll, das Video drei- oder viermal anzuschauen, in Zeitlupe und bei normaler Geschwindigkeit.
Feedback: Nachdem er zu einem oder zwei zentralen, mit dem Athleten besprochenen Punkten Feedback gegeben hat, zeigt der Trainer nochmals den Clip bzw. das Modell der idealen Technik direkt vor dem nächsten Ausführen der Bewegung.
Ergänzungen/Empfehlungen: Trainieren mit Video-Feedback ist weit verbreitet. Dessen nachvollziehbare Vorteile sind die Perspektivenwechsel zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung des Athleten. Insofern es sich um eine stark explizite Methode handelt, sind Fortschritte schon kurzfristig zu beobachten. Es ist deshalb sinnvoll, solche Meetings kurz vor einem wichtigen Ereignis vorzusehen. Auch langfristig ist ein erheblicher Nutzen festzustellen. Die J+S-Broschüre «Lernen mit Bildern» (Käsermann, 2014) kann für den Einsatz von Videos hilfreich sein.
6. Differenzielles Lernen
Grundlagen: Differenzielles Lernen besteht darin, die Randbereiche einer Bewegung auszuloten, was ständig neue Stimulierungen nach sich zieht. Fehler und Unterschiede in der Bewegungsausführung sind erwünscht und werden in den Vordergrund gestellt. Ziel ist, das Spektrum der motorischen Muster zu erweitern, damit die Athletinnen und Athleten selbst immer wieder dasjenige wählen können, das sie für das effizienteste halten. Zum differenziellen Lernen sind zahlreiche Artikel greifbar (etwa Beckmann und Schöllhorn, 2006).
Anweisungen: Die Trainerin / der Trainer muss seine Fantasie einsetzen: Ziel ist, den Athletinnen und Athleten unterschiedliche Möglichkeiten zum Ausführen einer motorischen Aufgabe anzubieten. Dazu kann man Winkel, Amplitude, Geschwindigkeit, Rhythmus, eingesetzte Kraft, Bewegungsphase, zur Verfügung stehendes Material usw. variieren. Die Trainerin / der Trainer soll hingegen keinerlei Anweisung dazu geben, wie die verschiedenen Varianten auszuführen sind. Als Beispiel kann hier der Aufschlag beim Tennis dienen: Ändern kann man die Höhe des Ballwurfs, die Ausgangspositionen, die Absprünge, die Orientierung der Gesten, die Gelenkwinkel oder die Bälle selbst.
Feedback: Insofern auf das Erweitern des Repertoires an Bewegungsmustern abgezielt wird, braucht es kein Feedback.
Ergänzungen/Empfehlungen: Diese eher implizite Methode erfordert beim Vorbereiten Vorstellungsvermögen. Ist die Trainings-Session erst einmal konzipiert, erweist sie sich in der Regel als sehr spielerisch und abwechslungsreich und wird besonders von Athletinnen und Athleten der Stufen F2 bis T4 geschätzt. Künzell und Hossner (2012) stehen der Methode allerdings kritisch gegenüber. Laut ihren Recherchen beruht sie auf keinerlei theoretischer Grundlage, die empirischen Ergebnisse sind ungewiss und die praktischen Empfehlungen unbegründet. Hossner et al. (2015) ergänzen die Methode, indem sie das Konzept des optimalen Fluktuationsgrads der Bewegungen für das motorische Lernen einführen.
Selbstverständlich erhebt die Liste der hier vorgestellten Lernmethoden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Andere Ansätze können den Trainerinnen und Trainern ebenfalls dazu verhelfen, die technischen Kompetenzen ihrer Athletinnen/Athleten bestmöglich zu entwickeln. Überdies erweist sich das Kombinieren bestimmter Methoden während eines Trainings oft als vorteilhaft. Allerdings ist es angebracht, vor der Trainingsvorbereitung die anvisierten Ziele, das Zielpublikum und den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen klar festzulegen.
Generelle Empfehlungen für ein besseres Lernen
Soll unser Techniktraining die bestmögliche Wirkung erzielen, sind unabhängig von der gewählten Methode ein paar Punkte zu berücksichtigen:
- Timing des Feedbacks Es steht in direkter Abhängigkeit von der Erfahrung der Athletinnen/Athleten: Bei Anfängerinnen und Anfängern muss das Feedback rasch nach der Bewegungsausführung stattfinden. Bei einem erfahrenen Athleten kann es bis etwa zwei Minuten nach der Bewegungsausführung erfolgen (Nowoisky, 2012).
- Mindset: Ein dynamisches Mindset charakterisiert viele erfolgreiche Trainerinnen und Trainer. Es erleichtert das Fortkommen der Athletinnen und Athleten ungemein.
- Schlaf: «Schlafmangel genauso wie ein sehr unruhiger Schlaf schaden dem Lernen und der Merkfähigkeit. Ruhiger und ausreichender Schlaf hingegen begünstigt die dauerhafte Verankerung des Gelernten, besonders bei Kindern und Jugendlichen.» (Roth, 2011, S. 118).
- Bewegungs- und Spielgrundformen: Es ist angebracht, die Bewegungs- und Spielgrundformen von Kindesbeinen an zu entwickeln. Das J+S-Manual «Grundlagen» (2021) und das Zusatzdokument «Entwicklungsfaktoren» stellen die Empfehlungen zum Einstieg in das Techniktraining zusammen. Sie stellen insbesondere interdisziplinäre Trainingsformen als Grundlage für mehrere Sportarten vor.
Fazit
Dieser Blog-Beitrag soll Sie dazu anhalten, sich der verschiedenen Lernmethoden besser bewusst zu werden. Jede Athletin und jeder Athlet reagiert anders auf Ihre Art, eine motorische Aufgabe zu vermitteln; Ihre Aufgabe besteht denn auch darin, die effizientesten Methoden individuell auszuwählen und/oder zu kombinieren.
Quellen und Literatur
- Bächle, T. et al., (2021). Die Entwicklungsfaktoren. Das Wichtigste in Kürze. Magglingen: Bundesamt für Sport BASPO.
- Beckmann, H., Schöllhorn, W. I. (2006). Differenzielles Lernen im Kugelstossen [Differencial learning of the shot put]. Leistungssport, 36(4), 44–50.
- Dehghansai, N., Lemez, S-, Wattie, N-, Pinder, R.A., Baker, J. (2020). Understanding the Development of Elite Parasport Athletes Using a Constraint-Led Approach: Considerations for Coaches and Practitioners. Front Psychol. 2020 Sep 30;11:502981. doi: 10.3389/fpsyg.2020.502981. PMID: 33101110; PMCID: PMC7554586.
- Fuchslocher, J., (2021), Présentation Technique & Technologies 1 – Méthodes d’apprentissage. Formation des entraîneurs Suisse.
- Hartmann, T. (2021). J+S-Manuel Grundlagen. Macolin: Office fédéral du sport OFSPO.
- Hossner E.-J. et al., (2015) On the optimal degree of fluctuations in practice for motor learning. Human Movement Science 47 (2006) 231-239.
- Käsermann, D. (2014). Lernen mit Bildern (brochure J+S). Magglingen: Bundesamt für Sport BASPO.
- Künzell, S., Hossner, E.-J. (2012). Differenzielles Lehren und Lernen – eine Kritik. Sportwissenschaft, 42, 83–95.
- Newell, K. M. (1986). Constraints on the development of coordination. In: Wade MG (ed.) Motor development in children: aspects of coordination and control. Martinus Nijhoff, Boston, 341–360.
- Nowoisky et al. (2012). Ein trainingsmethodisches und technologisches Konzept zum Video-Feed-back im Techniktraining. Leistungssport, 42(6), 19–25.
- Olivier, N., Rockmann, U. (2003). Grundlagen der Bewegungswissenschaft und –lehre. Schorndorf: Hofmann Verlag.
- Pralong, C. (2015). Entraînement hors neige pour skieurs de fond (thème du mois 04/2015 mobilesport.ch). Macolin: Office fédéral du sport OFSPO.
- Roth, G. (2011). Bildung braucht Persönlichkeit. Wie lernen gelingt. Stuttgart: Klett-Cotta.
- Schütz, P. (2010). Mindset (Mentalität, Selbstbild). Trainerbildung Schweiz
- Wulf, G. (2010). Optimierung motorischen Lernens. Physiotherapie Med 3:29-33.