In atemberaubenden Lagen
Unser Körper passt sich in der Höhe den vorherrschenden Bedingungen an, um besser damit zurechtzukommen. Was das für Anpassungsmechanismen sind und wie sich Leistungssportler diese zu Nutze machen, erfahren Sie im folgenden Artikel.
«Im Frühtau zu Berge wir gehen fallera, es grünen die Wälder und Höhn fallera, wir wandern ohne Sorgen, singend in den Morgen …»
Singend? Es geht steil bergauf und der Rucksack mit dem Picknick lastet auf den Schultern. Wem bleibt da noch Luft zum Singen? Die steilen Wege und die zusätzliche Last sind aber nicht die einzigen Gründe, warum wir in den Höhen der Berge vermehrt atmen und das Herz schneller schlägt.
Gegen den Sauerstoffmangel
Die oft besagte «dünne Bergluft» ist es vor allem, die uns zu schaffen macht und unsere aerobe Leistungsfähigkeit herabsetzt. Mit zunehmender Höhe nimmt aufgrund des sinkenden Luftdrucks auch die absolute Sauerstoffmenge stetig ab. So gelangt pro Atemzug weniger Sauerstoff in den Körper. Da für eine bestimmte Betätigung aber gleich viel Sauerstoff benötigt wird, beginnen wir automatisch schneller zu atmen. Auf diese Weise erhöht sich das Atemminutenvolumen (geatmete Menge Luft pro Minute).
Der Körper verfügt über weitere akute Anpassungsmechanismen, um dem drohenden Sauerstoffmangel (Hypoxie) entgegenzuwirken. Die Herzfrequenz nimmt deutlich zu, so dass trotz der tieferen Sauerstoffsättigung des Blutes möglichst viel Sauerstoff in den Kreislauf gelangt. Nach ein bis zwei Tagen nimmt auch das Plasmavolumen des Blutes ab. Dadurch steigen der relative Hämatokritwert (% feste Blutbestandteile des Blutes: zu 99% rote Blutkörperchen, Erythrozyten genannt) und somit auch die Menge Sauerstoff, welche pro Herzschlag zur Muskulatur transportiert werden kann.
Ausgeklügelte Anpassungsmechanismen
Bei längeren Höhenaufenthalten werden weitere komplexe Anpassungsmechanismen ausgelöst, die uns helfen, besser mit dem verminderten Sauerstoffangebot umzugehen. Der Körper beginnt bereits nach wenigen Stunden vermehrt das Hormon Erythropoietin (EPO) auszuschütten, welches für die Produktion von Erythrozyten zuständig ist. Halten wir uns über drei bis vier Wochen in Lagen von 2500 Metern oder mehr auf, so erhöht sich die Menge der roten Blutkörperchen. Dadurch wird der Sauerstofftransport stetig verbessert. Zudem wird der Herzmuskel kräftiger und dadurch der vorhandene Sauerstoff ökonomischer genutzt.
Schwindende Muskelmasse
Auch in der Muskulatur finden chronische Adaptionsmechanismen statt. Wegen der verminderten aeroben Leistungsfähigkeit kann in der Höhe nicht mit den gleichen Bewegungsgeschwindigkeiten und damit absoluten Belastungsintensitäten trainiert werden wie im Flachland. Das hat verminderte nervale und mechanische Reize auf die Muskulatur zur Folge. Bei längeren Höhenaufenthalten kann das zu einem Verlust von Muskelmasse führen. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Kraftfähigkeiten gemeinsam mit der Muskelmasse schwinden.
Körperreaktionen ausnutzen
Wenn wir ins Flachland zurückkehren, können wir noch vier bis fünf Wochen von diesen Akklimatisationseffekten profitieren. Hier steht, verglichen zur Luft in 2000 bis 3000 Metern Höhe, nämlich wieder mehr Sauerstoff zur Verfügung. Mehr Sauerstoff und mehr Hämoglobin – die Muskulatur wird also bestmöglich mit Sauerstoff versorgt! Durch Höhentrainingslager provozieren Leistungssportler diese natürlichen Anpassungsmechanismen systematisch, um ihre persönliche Leistungsfähigkeit nochmals erhöhen zu können.