Tanzen in der Schule mit einem Profi

Umsetzung – 3. Etappe –Musterlektion

Jedes Projekt ist anders, und somit auch der Inhalt der Lektionen. Das präsentierte Beispiel geht aus den Überlegungen des Autorinnenteams dieses Dossiers hervor. Es lässt sich deshalb nicht einfach kopieren. Vielmehr will es Lehrpersonen eine Idee der Zusammenarbeit mit einem Tanzprofi vermitteln.

Tanzen in der Schule mit einem Profi: Umsetzung – 3. Etappe –Musterlektion

In der ersten Etappe des Projekts bestimmt das Tandem die Anzahl Begegnungen zwischen Tanzprofi und Klasse. Für eine optimale Zusammenarbeit werden 90-minütige Sequenzen, also Doppellektionen, vereinbart.

Die im Hinblick auf das erste Treffen festgelegten Inhalte dienen als roter Faden. Es wird nicht erwartet, bei dieser Gelegenheit alles erledigen zu können. Das Tandem soll auf die Kinder eingehen – sind sie konzentriert oder zerstreut, aufnahmefähig oder müde, kreativ oder gelangweilt? – und den Unterricht ggf. anpassen. Wichtig ist das ständige Bewusstsein, dass es sich um eine sich im Moment entwickelnde Arbeit handelt, die sich von einer Begegnung zur andern neu ausrichtet.

Eine Lektion hat denn auch repetitiven Charakter, die Übungen folgen einer Lernspirale (siehe unten). Das Wiederholen ermöglicht das Vertiefen der Grundbegriffe und Verbessern der Bewegungsqualität von einem Treffen zum andern. Sie vermittelt den Schülerinnen und Schülern Sicherheit und lässt sie Vertrauen und ihre Kreativität entwickeln. Bei den in einer Lernspirale durchgeführten Übungen kommen jeweils zusätzliche Aufgabenstellungen hinzu, welche die Kinder dazu herausfordern, sich ihnen auf ihre eigene Art zu stellen.

Gut zu wissen

In Sachen Lernmethoden sind grundsätzlich zwei pädagogische Ansätze zu beobachten:

  • Linearer Ansatz: Die Themen werden umfassend und blockweise angegangen.
  • Spiralförmiger Ansatz: Die Themen werden zyklisch angegangen und jedes Mal ein wenig stärker vertieft.

Ablauf

In der unten beschriebenen Lektion orientiert sich die geübte Bewegungsabfolge an einer modernen Version des Kettenmärchens «Die Laus und der Floh. Solche Geschichten, die in Wiederholungen mit jeweils einem neu dazukommenden Element erzählt werden, ermöglichen es den Kindern, auf spielerische Weise eine Abfolge von Bewegungen zu erfinden und sie sich zu merken. Die Lehrerin hat die Geschichte bereits im Vorfeld, vor dem ersten Kontakt mit dem Tanzprofi, mehrmals erzählt, etwa im Sprachunterricht. 

In der ersten Lektion tanzt die Tänzerin die Sequenz vor den Kindern. Daran schliesst ein Gespräch darüber an, was der Tanz in den Kindern ausgelöst hat. Anschliessend werden die Kinder aufgefordert, die Sequenz mit der Tänzerin zu tanzen. Sie kann sie etwa fragen, an welche Bewegung sie sich erinnern: jene für die Tür, das Fenster, den Wind usw. Mit grosser Wahrscheinlichkeit erwähnen die Kinder andere als die von der Tänzerin vorgeführten Bewegungen. Eben diese Vorschläge modifizieren die Sequenz der Tänzerin, sofern sie nachvollziehbar sind.

Aufbau der Choreografie

Ab dem zweiten Treffen kann das Tandem aus den geübten Elementen nach und nach eine Choreografie erarbeiten:

  • Queren des Raums mit Aktionen und Bewegungsqualitäten
  • Formationen in einer Reihe, einer Kolonne, in den Diagonalen, im Kreis
  • Kettenmärchen
  • Emotionen entdecken

Diese Elemente stiften den roten Faden und bilden im Lauf des Prozesses ein Ganzes. Das anfängliche Arrangement greift der Endform nicht vor. Zur Erinnerung: Es geht um ein sich entwickelndes Vorgehen, das sich der Klasse anpasst. Die Ideen und Vorschläge der Kinder sind für die Entwicklung der Choreografie wesentlich. Jede Schülergruppe interpretiert die angebotenen Übungen auf ihre Weise und erzielt ein unverwechselbares Endresultat.

Am Tag der Aufführung soll die Choreografie weder perfekt sein noch auswendig ausgeführt werden. Dies wirkt sich auf die Herangehensweise an die Arbeit während des ganzen Projekts aus, nicht zuletzt auf die investierte Zeit. Die Lehrperson muss nicht warten, bis die Kinder ein Element beherrschen, bevor sie das nächste einführt. Deshalb ist es auch nicht nötig, eine Übung endlos zu wiederholen. Reproduziert das Kind eine Übung anlässlich der gemeinsamen Lektionen, kann es sie verinnerlichen und ist in der Lage, sie flüssig auszuführen. Die Übungen sind dazu da, das Kind zu inspirieren und Bilder in ihm zu wecken. Sie dienen aber auch dazu, das Verständnis für eine logische Bewegungsabfolge sowie für räumliche und musikalische Strukturen zu fördern.

Beispiel einer Choreografie

  • Die Kinder stehen sich auf zwei Reihe auf beiden Seiten des Raums gegenüber.
  • Sie tanzen die Emotion «Traurigkeit» an Ort.
  • Dann bewegen sie sich vorwärts und tanzen diese Emotion nach gegebenen Aktionen und Bewegungsqualitäten, z.B. mit Bewegungen nach aussen oder solchen, die immer grösser werden, bis sie sich gegenüberstehen, immer noch auf zwei Reihen.
  • Da tanzen sie an Ort die Emotion «Wut».
  • Anschliessend bilden die Kinder einen Kreis und tanzen Aktionen und Bewegungsqualitäten zur Emotion «Angst».
  • Sie bleiben an Ort und tanzen nun «Freude» statt «Angst».
  • Zum Schluss gehen sie gemeinsam in eine Ecke des Raums.
  • Von dort aus tanzen sie die Bewegungssequenz nach dem Kettenmärchen (keine Statue, keine Rückkehr in die Ausgangsposition). Sie schliessen die Sequenz mit einer Schlusspose ab.