Athletik

Vorbereitung auf Olympische Spiele – Tools für Trainerinnen und Trainer

Die Teilnahme an Olympischen Spielen ist ein Highlight in der Karriere einer Sportlerin oder eines Sportlers. Sowohl für den olympischen Dachverband als auch für die einzelnen Verbände ist die Planung im Zwei- bzw. Vierjahresrhythmus elementar und entscheidet darüber, ob die Sportlerinnen udn Sportler am Tag X ihre Höchstleistung abrufen können. In diesem Blog stellen wir wesentliche Planungs-Schritte und -Werkzeuge vor, die während einer Olympiade sehr hilfreich sind. Diese Elemente dienen natürlich auch in der Vorbereitung anderer sportlicher Grossveranstaltungen.

Athletik: Vorbereitung auf Olympische Spiele – Das Highlight jeder Sportler/innen-Karriere

«Ich habe zwei Olympiazyklen gebraucht, um zu 100% für die Olympischen Spiele bereit zu sein.»

Iwan Schuwey

Autor: Iwan Schuwey, Verantwortlicher französischsprachige Trainerausbildung, Trainerbildung Schweiz

Inhalte


The Way to the Olympics / Road to …

Der Weg zu den Olympischen Spielen muss akribisch geplant, möglichst auf einem «Paper» festgehalten und konsequent umgesetzt werden. Nur so hat man eine Chance, bei den Spielen erfolgreich zu sein. The Way to the Olympics / The Road to the Games – oder wie auch immer man das Dokument nennen will – zu Beginn einer neuen Olympiade, also in den 4 Jahren zwischen zwei Olympischen Spielen, zu zeichnen, ist ein spannender Prozess, auf den es sich einzulassen lohnt.

Auf diesem 4-Jahres-Olympia-Weg können Fördermassnahmen, Olympiaprojekte, Kader-strukturen und Selektionswege, Entwicklungsfaktoren, Leistungsanforderungen und vieles mehr dokumentiert werden. Der sportliche Weg wird aufgezeigt und trägt der Komplexität auf einfache Weise Rechnung.

Abb: The Way to London 2012 von Swiss Triathlon, im Spätherbst 2009 von Dominik Pürro (damals Swiss Triathlon Elitesport Manager) und Iwan Schuwey (damals National Coach Swiss Triathlon) erstellt (zu dieser Zeit gab es noch kein FTEM)
Abb: The Way to London 2012 von Swiss Triathlon, im Spätherbst 2009 von Dominik Pürro (damals Swiss Triathlon Elitesport Manager) und Iwan Schuwey (damals National Coach Swiss Triathlon) erstellt (zu dieser Zeit gab es noch kein FTEM)

Dank FTEM Schweiz haben sich viele Sportverbände in der langfristigen Planung stark weiterent-wickelt. Dies trug wesentlich dazu bei, das Niveau im Leistungs- und Spitzensport zu steigern, indem die Entwicklungsmöglichkeiten und Fördermassnahmen für Athleten/-innen klar aufzeigt und Verbesserungspotential identifiziert wurde. Die zu erstellende Olympiagrafik baut logischerweise auf dieser FTEM-Basis auf, beleuchtet präzise die Bereiche E2 (international erfolgreich sein) und M (Sportart dominieren) und geht dort tiefer, olympiaspezifischer.

Diese Road to … kann auch andere Themenbereiche enthalten, in denen Entscheidungen, Gedanken, Impulse, Hindernisse, Meilensteine, Rahmenbedingungen, Sicherheiten, Mut usw. notiert und entwickelt werden.

Sie muss nicht grafisch aufwendig, aber so gestaltet sein, dass man sich regelmässig damit auseinandersetzt. Wir haben mit den Trainerinnen und Trainern aus dem Olympic Coach Programm (OCP) Paris 2024 eine solche Planung ausgearbeitet.

Road to Paris, Adrian Rothenbühler (TBS-OCP)
Road to Paris, Adrian Rothenbühler (TBS-OCP)
Symbole / Werkzeuge Road to Paris, Adrian Rothenbühler (TBS-OCP). Mit diesen Symbolen wurde gearbeitet.
Symbole / Werkzeuge Road to Paris, Adrian Rothenbühler (TBS-OCP). Mit diesen Symbolen wurde gearbeitet.

Die Olympiaplanung (Visio)

Eine Mehrjahresplanung, z.B. mit dem Visualisierungstool Visio erstellt, kann ein sehr wertvolles Planungsdokument im Hinblick auf den Zielwettbewerb sein. Das hilft, den Überblick zu behalten und auf Kurs zu bleiben. Hier ist eine kompakte Version der Planung für die Olympischen Spiele 2028:

Eine Mehrjahresplanung, z.B. mit dem Visualisierungstool Visio erstellt, kann ein sehr wertvolles Planungsdokument im Hinblick auf den Zielwettbewerb sein. Das hilft, den Überblick zu behalten und auf Kurs zu bleiben. Hier ist eine kompakte Version der Planung für die Olympischen Spiele 2028:
  • 2026: Abenteuer Olympia startet
  • 2027: Trainingsorte sind bestimmt, Infrastruktur wird sicherstellt etc.  
  • 2028: 100 % bereit für die Olympischen Spiele

Diese Grobplanung mag unscheinbar erscheinen, aber sie bildet das Fundament für alle weiteren Schritte. Es ist wichtig, sie ständig zu überprüfen und anzupassen, um sicherzustellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind!


Der Jahresplan

Ein (klassischer) Jahresplan ist in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele unverzichtbar. Er bietet einen Überblick über die zentralen Elemente, beginnend mit den Spielen selbst. Folgende Aspekte sind in einem solchen Plan berücksichtigt:

  1. Olympische Spiele: Der Höhepunkt des Jahres und der Fokus aller Bemühungen.
  2. Wichtige Wettkämpfe: Termine für Schlüsselwettkämpfe notieren und die Zeit dazwischen berücksichtigen. 
  3. Trainingslager: Trainingslager strategisch planen, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
  4. Parallel laufende Aktivitäten: Engpässe vermeiden: Wo und wann finden verschiedene Aktivitäten gleichzeitig statt? 

Die untenstehende Planung für 2028 enthält fiktive Elemente zur Veranschaulichung. Sie kann an die Bedürfnisse angepasst werden. Die Formel in der neutralen Jahresplan-Vorlage (siehe Downloads) passt sich automatisch an, wenn Sie eine Jahreszahl eintragen.

Die Formel in der neutralen Jahresplan-Vorlage (siehe Downloads)

Downloads


Das sehr wichtige vorolympische Jahr

In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf das entscheidende vorolympische Jahr, das «olympische Testjahr». Die Jahresplanung steht von Beginn an fest. Die Hauptwettkämpfe und Trainingslager (z.B. Höhentrainingslager durchführen?), einschliesslich eines möglichen Olympia-vorbereitungslagers, können geplant und getestet werden. Im Olympiajahr selbst sollten basierend auf den Erfahrungen nur noch marginale Anpassungen notwendig sein.

Die Grafiken zeigen, wie Swiss Triathlon die letzten Monate vor den Olympischen Spielen im Vorolympiajahr und Olympiajahr identisch gestaltet hat. Die Vorbereitungen für die Spiele in Athen 2004 fanden in Zypern statt, für Peking 2008 auf der Insel Jeju in Südkorea, und für London 2012 in den bewährten Trainingsgruppen und -orten wie Leysin, Tenero und Davos. Ich bin überzeugt: Die akribische Vorbereitung war ein entscheidender Faktor für die erfolgreichen Olympiakampagnen von Swiss Triathlon.

Für Los Angeles 2028 bedeutet dies, dass die Vorbereitung auf den olympischen Testevent LA 2027 in der Region stattfinden sollte. Wenn ein Höhentrainingslager vor dem Wettkampf ein Thema ist, könnten Flagstaff (Arizona), Boulder (Colorado) oder ein ähnlicher Vorbereitungsort in Betracht gezogen werden. Wenn Höhentraining kein Thema ist, könnte die Region um San Diego ein interessanter Ort sein – natürlich immer unter der Voraussetzung, dass die Infrastruktur vor Ort für den Sport optimal ist. Ideal wäre es, wenn neben den Athleten/innen bereits der Olympia-Staff 2028 an diesem Vorbereitungslager teilnehmen könnte. 

Das sehr wichtige vorolympische Jahr

Swiss Triathlon in London

Abb: Im Vordergrund: Olympiakoch Bruno Rossignol, im Hintergrund: Nicola Spirig, die spätere Olympiasiegerin, im Gespräch mit Dominik Pürro, damals Elitesport Manager, Peter Balzli vom Schweizer Fernsehen und dem Kameramann
Abb: Im Vordergrund: Olympiakoch Bruno Rossignol, im Hintergrund: Nicola Spirig, die spätere Olympiasiegerin, im Gespräch mit Dominik Pürro, damals Elitesport Manager, Peter Balzli vom Schweizer Fernsehen und dem Kameramann

Fast auf den Tag genau ein Jahr vor den Olympischen Spielen 2012 in London fand im August 2011 ein Testwettkampf (ITU World Championship Series) statt. Das Betreuerteam bestand aus Physiotherapeut, Arzt, Koch, Elitesport Manager und National Coach – absolut identisch wie beim ein Jahr späteren Olympiaereignis. Die Athleten wussten bereits seit Längerem, dass wir im 2012 nicht bei der Eröffnungsfeier teilnehmen, sondern später anreisen und nahe dem Start in einem College mit perfekter Infrastruktur wohnen würden. Dies galt es hier bereits zu testen.

Zusätzlich veranstalteten wir im Vorfeld dieses Testwettkampfes eine Pressekonferenz am Flughafen Zürich, ein Meet & Greet mit Familienangehörigen, Sponsoren und Verbands-funktionären im College selbst und das Schweizer Fernsehen berichtete über das Triathlon Team. Diese Aktivitäten hatten u.a. das Ziel, den Olympiastress im Vorfeld schon Mal zu simulieren.

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Sportwissenschaftliche Begleitung – Analyse vorolympischer Wettkampf

Bei vorolympischen Wettkämpfen (d.h. Testevent auf der Olympiastrecke ein Jahr vor den Spielen) war die Betriebsamkeit deutlich höher als bei «Standard»-Wettkämpfen: Athletengewichte wurden gemessen, Ausrüstung an Fahrrädern und Wettkampfanzügen installiert, Strecken mit Messrädern und Lasern vermessen. Diese Massnahmen führten auch wir Schweizer mit Unter-stützung der Sportwissenschaftler aus Magglingen durch.

Die Erkenntnisse beeinflussten unseren Trainingsalltag und unsere spezifischen Olympia-massnahmen, unterstützt durch das BASPO und Swiss Olympic. Der Austausch dieses Wissens war entscheidend: Mandatstrainer, persönliche Trainer und andere Schlüsselpersonen erhielten alle relevanten Informationen und standen in kontinuierlichem Austausch mit uns.

Die Sportwissenschaft spielte eine zentrale Rolle, indem sie uns bei der Aktualisierung unserer Weltstandsanalyse, Athleten- und Wettkampfanalysen, Startlistenanalysen und Simulationen unterstützte. Bei der Umsetzung dieser Erkenntnisse galt jedoch Vorsicht: Manchmal ist weniger mehr.


Besondere Situationen (Höhe, Hitze/Kälte, Zeitverschiebung usw.)

Welche klimatischen Bedingungen erwarten uns bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles? Was kann ich tun, um die Folgen des Jetlags auf Reisen zu minimieren? Warum sollten sich Athleten jährlich zahnärztlich untersuchen lassen? Die Infografiken von Swiss Olympic helfen bei der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele.


Achtsamkeit auf dem Wege an die Olympischen Spiele

All diese Planungsinstrumente, Factsheets, Analysen und Vorbereitungsmaßnahmen sind zweifellos sehr wertvoll auf dem Weg zur Olympiade. Sie sind aber nur dann wirklich effektiv und effizient, wenn die Personen, die sie erarbeiten und im Terrain umsetzen eine gute Life Balance haben. Die Achtsamkeit sollte besonders beachtet werden, um mit dem Druck umzugehen. Strategien zur Stressbewältigung müssen sowohl im Training als auch ausserhalb der Sportstätten integriert werden, was für Athleten und Trainer gleichermassen entscheidend ist.

Zudem ist die optimale Kombination von Training und Regeneration entscheidend. Sensibles Peaking und Tapering sind kritische Aspekte: Sie müssen gut geplant sein. Wobei Flexibilität im System erhalten bleiben muss, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können.

Jürg Wetzel, in Paris zum 10. Mal als Psychologe für Swiss Olympic im Einsatz fasst die drei wichtigsten psychologischen Guidelines für Trainer/-innen vor Ort bei Grossanlässen wie folgt zusammen:

In der Ruhe liegt die Kraft

  • Coaches sollten gut vorbereitet und ausgeruht sein, persönliche und private Angelegenheiten sind geklärt und organisiert.
  • Die Struktur ist während des Anlasses wichtig: Dazu gehören feste Tagesabläufe, Einsatz- und Transportpläne. Und: Eine Routine beibehalten! Keine Experimente!
  • Nach den Spielen ist eine strukturierte Auswertung wichtig, idealerweise mit externer Perspektive.

Glaube daran

  • Das System benötigt realistische Zuversicht, da viele Dinge ungewiss sind, was als positiver Ausgangspunkt betrachtet wird.
  • Durch Vorbildfunktion kann Positivismus und Lösungsorientierung verstärkt werden, indem Coaches ihr Mindset, Coaching-Techniken, Kommunikation sowie Auftreten nutzen, um bei den Athleten/-innen die Ressourcen zu stärken und Selbstvertrauen sowie ein Erfolgsbewusstsein zu fördern.

Die Macht der Leichtigkeit

  • Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist ein Privileg, nicht eine Frage von Leben und Tod; Wohlbefinden und mentale Frische helfen, Druck und Nervosität zu bewältigen.
  • Gehe voll in deiner Rolle auf. Trage mit guter Stimmung und Humor zum Teamspirit bei.
  • Nimm dich und deine Leistung nicht zu ernst. Das kann erheblich entlasten.

«Extrem an Olympischen Spielen ist … ALLES!»

Das ist die Antwort von Peter Haas, Chef Leistungssport bei Swiss Athletics von 2004 bis 2018, auf die Frage, was an den Olympischen Spielen so extrem ist. Peter wird in Paris sehr wahrscheinlich an seinen 10. Olympischen Spielen teilnehmen (als Athlet und Funktionär).

Er stellt mit seinen Grafiken einen sehr interessanten Vergleich zwischen Europa-/Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen her.

Grafik Peter Haas
Grafik Peter Haas

An Grossanlässen wie Europa- und Weltmeisterschaften sind die Rahmenbedingungen eigentlich immer bekannt und gleich (Bild links). Im Gegensatz dazu sind bei Olympischen Spielen weit mehr Elemente im Spiel, die zudem oftmals noch eine Unbekannte darstellen. Auf dies gilt es sich so gut wie möglich vorzubereiten.


Schlüsselelemente

Im Bewusstsein, dass in diesem Blog nicht alle Themen abgehandelt werden können und einiges nur angeteasert wurde, hier eine Auflistung wichtiger Schlüsselelemente, die für den Erfolg an Olympischen Spielen entscheidend sind:  

  • Absolutes Leistungssport-Commitment des Verbandes
  • Klare 4 resp. 8 Jahresplanung (Road to …, Visio, Jahrespläne)
  • Elementare Fixpunkte im Olympiazyklus, die permanent perfektioniert werden
  • Intensive Zusammenarbeit mit BASPO, Swiss Olympic, Sportwissenschaft
  • Klares Selektionsprozedere (Athleten), klare Kommunikation (Athleten & Staff)
  • Komplette Simulation im vorolympischen Jahr
  • Energielevel (Work-Life «Balance»)
  • Keine Überperfektionierung, Raum für Flexibilität
  • Austausch mit OS-Erfahrenen