Smart competitions – Wettkämpfe im Nachwuchs

Was wollen wir unseren Kindern anbieten?

Siegerinnen, Medaillen, Verlierer und Tränen! – Im gnadenlosen Wettkampf des Sports werden wahre Helden geboren. Von der ersten Sekunde an treten junge Athletinnen und Athleten in eine Arena ein, in der nur die Stärksten überleben. So wird es oft von den Medien dargestellt. Doch wollen wir das wirklich? Es gibt auch andere Wege, wie ein Projekt von Swiss Olympic und der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen EHSM zeigt.

Smart competitions - Wettkämpfe im Nachwuchs: Was wollen wir unseren Kindern anbieten?

Autorinnen und Autoren: Michael Romann, Julia Hernandez, Jörg Fuchslocher, Marie Javet, Eidg. Hochschule für Sport Magglingen EHSM

Wettkämpfe spielen seit jeher eine grosse Rolle in unserer Gesellschaft. Sie bieten eine Möglichkeit, sich zu messen, Fähigkeiten zu zeigen und Erfolge zu erzielen. Wettkämpfe gibt es in verschiedenen Bereichen wie Sport, Wissenschaft, Kultur und vielen anderen Bereichen des menschlichen Lebens.

Im Sport sind Wettkämpfe besonders prominent. Olympische Spiele, Fussballweltmeisterschaften oder andere sportliche Veranstaltungen ziehen Millionen von Zuschauern an und generieren Milliardenumsätze für die Sportindustrie. Durch Wettkämpfe werden Athletinnen und Athleten dazu angeregt, ihre Grenzen zu überschreiten, neue Höchstleistungen zu erzielen, ihre Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern und ihre persönlichen Ziele zu erreichen.

Ein überhöhter Leistungsdruck bei Wettkämpfen bringt auch Schattenseiten zum Vorschein, wie z.B. unethisches Verhalten oder Doping. Und wie verhält sich dies für Wettkämpfe im Kinder- und Nachwuchssport? Sollten diese einfach copy-paste mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden? Oder braucht es andere Wettkämpfe, andere Werte und Ziele?


Langfristig positive Einflüsse

Genau mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich das Projekt «smart competitions» von Swiss Olympics und der EHSM. Das Projekt will eine systematische Optimierung von Wettkämpfen im Nachwuchsbereich auf nationaler Ebene vorantreiben und damit die Wettkämpfe im Sinne einer langfristigen positiven Entwicklung der Athletinnen und Athleten verbessern. Dazu sollen bereits vorhandene positive Aspekte gestärkt und negative Aspekte minimiert werden.

  • Aufzeigen und Verstärken der positiven Aspekte der Wettkämpfe: Das Projekt soll die positiven Aspekte von Wettkämpfen hervorheben und stärken. Dazu gehören Aspekte wie Zugehörigkeit, prozessorientiertes Handeln, Wille, emotionale Regulation, technische, physische und psychische Leistungsverbesserung und Freude am Sport. Durch gezielte Massnahmen können diese positiven Aspekte betont und gefördert werden, um Wettkämpfe zu einem bereichernden und positiven Erlebnis und einem Förderinstrument für Athletinnen und Athleten zu machen.
  • Verbesserung der negativen Aspekte der Wettkämpfe durch konkrete Massnahmen: Das Projekt zielt darauf ab, negative Aspekte von Wettkämpfen zu identifizieren und gezielte Massnahmen zur Verbesserung umzusetzen. Dazu gehören beispielsweise Massnahmen zur Reduzierung von Inaktivität (z.B. durch Wechselspieler), übermässigem Druck, Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit und reine Ergebnisorientierung. Das Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, das Athletinnen und Athleten unterstützt, motiviert und schützt.
  • Systematisierung des Prozesses auf nationaler Ebene: Das letzte Ziel des Projektes ist, den Optimierungsprozess von Wettkämpfen systematisch mit den Schweizer Sportverbänden umzusetzen. Dies enthält die enge Zusammenarbeit mit Pilotverbänden, die Entwicklung von Leitlinien und Tools und die langfristige Evaluation des Programms. Durch die systematische Umsetzung sollen qualitativ hochwertige und entwicklungsgerechte Wettkämpfe gewährleistet werden, die die langfristige Entwicklung der Athletinnen und Athleten fördern. Die Integration von sportpraktischen und -wissenschaftlichen Erkenntnissen, pädagogischen Ansätzen und Feedback der Athletinnen und Athleten sollen dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Diese Erkenntnisse stehen allen Interessierten zur Verfügung.

Hintergrund: Wettkämpfe systematisch weiterentwickeln

Schon früh auf dem Athleten/innenweg FTEM nehmen junge Athletinnen und Athleten an organisierten Wettkämpfen teil. Die Wettkampfformate entsprechen dabei oft jenen der Erwachsenen.  Inhalte der Wettkämpfe sollten sich aber an den Entwicklungszielen der jeweiligen Phase auf dem Athletenweg orientieren. Denn Wettkämpfe bieten neben dem Training ein entscheidendes Entwicklungsfeld. Zudem ist erwiesen, dass auch im Nachwuchssport der Trainingsprozess auf den Wettkampf ausgerichtet ist. Somit hat man über die Verbesserung der Wettkämpfe einen grossen Hebel, um positiven Einfluss auf das Training zu nehmen. 

Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer systematischen, verbandsübergreifenden Weiterentwicklung der Wettkämpfe. Einige Verbände – wie z.B. der Schweizerische Fussballverband SFV mit «play more football» oder Swiss Canoe mit «Kanu Total», usw. gehen bereits mit guten Beispielen voran. Die Weiterentwicklung ihrer Wettkampfformate orientiert sich dabei an den drei Aspekten «Participation, Personality, Performance».


Die 3 Ps – Participation, Personality, Performance

Alle Athletinnen und Athleten sollten die Rahmenbedingungen haben, ihre Entwicklungsfaktoren  (pdf) auf dem gesamten Athletenweg optimal zu entwickeln. Hierfür unterstreichen wissenschaftliche Studien die Bedeutung grundlegender Aspekte im Sport: eine erhöhte Teilnahme (Participation) in den ersten Jahren; eine Umgebung, die der positiven Persönlichkeitsentwicklung (Personality) zuträglich ist; ein Kontext, der die sportartspezifischen wichtigen athletischen, psychischen, technischen, taktischen Entwicklungsfaktoren (Performance) fördert.

  • Teilnahme (participation): Wettkämpfe bieten Athletinnen und Athleten die Möglichkeit, sozial zu interagieren, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln und sich so persönlich weiterzuentwickeln. Damit dies gelingt muss der Wettkampf eine hohe Aktivität zulassen, das Erleben von Freude ermöglichen, um so die physische und psychische Gesundheit zu stärken. Oft sind aber schon beim Zugang zu Wettkämpfen Hürden zu überwinden und während der Wettkämpfe ist die Aktivitätszeit teilweise niedrig (Wechselspieler, Wartezeiten).
  • Persönlichkeitsentwicklung (personality): Wettkämpfe bieten eine einzigartige Gelegenheit zur persönlichen Entwicklung (pdf). Durch Herausforderungen und das Ausloten von Grenzen kann Selbstvertrauen aufgebaut und persönliche Stärken entdeckt werden. Die Wettkampfsituation erfordert auch mentale Stärke und Durchhaltevermögen, da man mit Stress, Druck und Unsicherheit umgehen muss. Im Wettkampf lernt man, mit Rückschlägen umzugehen, Emotionen zu regulieren und sich selbst zu motivieren. Diese Erfahrungen tragen zur Persönlichkeitsentwicklung bei und helfen den Menschen, sich in anderen Lebensbereichen besser zu entfalten. Wettkämpfe fördern auch wichtige Charaktereigenschaften wie Leadership, emotionale Regulation und Kommunikation.
  • Leistungsentwicklung (performance): Wettkämpfe können ein Massstab für Leistung und Leistungsentwicklung sein. Sie bieten eine objektive Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und einen Vergleich zu vorhergehenden eigenen Leistungen und zu anderen Teilnehmenden. Diese Entwicklungen finden gleichzeitig auch in den Bereichen Technik-Taktik sowie Psyche und Athletik statt. Wettkämpfe schaffen auch Anreize, das eigene Potenzial auszuschöpfen und sich kontinuierlich zu verbessern. Dies kann eine starke Motivation sein, kontinuierlich an sich zu arbeiten und die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.

Smart competitions - Wettkämpfe im Nachwuchs: Was wollen wir unseren Kindern anbieten?

Praktische Umsetzung

Für die praktische Umsetzung des Projekts «smart competitions» in einer Sportart sind drei Schritte nötig:

  1. Der Verband erstellt eine Bestandesaufnahme seines aktuellen Wettkampfsystems (xlsx) der Phasen F3 bis T4.
  2. Der Verband analysiert sein Wettkampfsystem für die Phasen F3 bis T4. Es wird analysiert, wie stark die Grundaspekte der 3Ps  (xlsx) und die entsprechenden Kriterien im aktuellen Wettkampfsystem ausgeprägt sind.
  3. Massnahmen zur Verbesserung der Wettkämpfe werden definiert und umgesetzt.

Einige Verbände haben diese Schritte mithilfe des Projekts «smart competitions» bereits erfolgreich umgesetzt. Es ist klar, dass so eine Weiterentwicklung nur unter Einbezug aller Stakeholder stattfinden kann und dass zu Beginn auch Widerstände überwunden werden müssen.

Am Beispiel des Projekts play more football hat sich aber gezeigt, dass substanzielle Änderungen der Wettkampfformate möglich sind. Heute zeigt sich, dass ein Grossteil der Kinder, Trainer und Eltern von dem neuen Wettkampfformat voll überzeugt sind. Die Verbesserungen sind wissenschaftlich belegbar und die schweizweite Umsetzung hat funktioniert (Hintermann, 2021).

So what?

Wie sieht es in Deiner Sportart aus? Sind die 3 P’s und ihre Kriterien in Deiner Sportart optimal umgesetzt? Oder gibt es Auswechselspieler, unnötige Disqualifikationen oder übermässigen Druck? Nimm dir Zeit, die Wettkämpfe in deiner Sportart zu reflektieren. Auch Deine Sportart kann die Wettkämpfe im Nachwuchs weiter verbessern und neue Formen unter Einbezug aller Stakeholder schweizweit umsetzen. Let’s go!

Literatur

  • Burton, D., Gillham, A. D., & Hammermeister, J. (2011). Competitive engineering: Structural climate modifications to enhance youth athletes’ competitive experience. International Journal of Sports Science & Coaching, 6(2), 201–217.
  • Camiré, M. (2015). Reconciling competition and positive youth development in sport. Staps, 3, 25–39.
  • Côté, J., & Hancock, D. J. (2016). Evidence-based policies for youth sport programmes. International Journal of Sport Policy and Politics, 8(1), 51–65.
  • Hintermann, M., Born, D.-P., Fuchslocher, J., Kern, R., & Romann, M. (2021). How to improve technical and tactical actions of dominant and non-dominant players in children’s football? Plos One, 16(7), e0254900.
  • Lüdin, D., Donath, L., Cobley, S. P., & Romann, M. (2021). Effect of bio-banding on physiological and technical-tactical key performance indicators in youth elite soccer. European Journal of Sport Science.