«Return To Sport» – Der Weg zurück nach einer Verletzung
Der Weg zurück in den normalen Trainings- und Wettkampfbetrieb nach einer Verletzung, der «Return To Sport» (RTS), ist ein äusserst wichtiges Thema im Leistungssport, denn es betrifft wohl jede Leistungssportlerin und jeden Leistungssportler früher oder später einmal im Verlaufe ihrer Karrieren. Weil alle möglichst rasch wieder zurück in den Sport wollen, sind Trainerinnen und Trainer ebenfalls gefordert. Doch gerade bei schwereren und langandauernden Verletzungen will dieser Prozess richtig begleitet sein.
Blog-Beiträge der Trainerbildung Schweiz (TBS)
Die Trainerbildung Schweiz (TBS) baut ihr digitales Angebot zur Unterstützung von Trainerinnen und Trainern stetig aus. Dazu publizieren wir regelmässig spannende Blog-Beiträge sowie Tipps und Tricks für Training und Wettkampf.
Text: Philipp Wäffler, Verantwortlicher Fachbereich Sportmedizin, Trainerbildung Schweiz
Inhalte
Am Ende wieder die volle Leistungsfähigkeit auf dem sportlichen Niveau wie vor der Verletzung zu erlangen: Das ist das ultimative Ziel von «Return To Sport» (RTS). Oft ist das jedoch ein langwieriger Weg, der von den Involvierten viel Verständnis, Geduld und Durchhaltewillen verlangt. Denn er verläuft nicht immer gradlinig und kann auch Rückschläge beinhalten. Letztlich soll die Rückkehr in den Leistungssport auch nachhaltig sein. Um den RTS erfolgreich zu gestalten sind zwei Punkte von zentraler Bedeutung:
- Bildung und Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams
- Prozess mit verschiedenen Etappen
Innerhalb dieses Teams, zu dem nebst der Athletin oder Athlet medizinische Fachkräfte, sportwissenschaftliche Spezialisten, Betreuungspersonal gehören, haben auch die Trainerinnen und Trainer ihre Aufgaben bei den verschiedenen Schritten, wenn auch oft in etwas anderen oder gar ungewohnten Rollen.
Ein Team mit gemeinsamem Ziel
Die Zusammenarbeit als Team ist in einer herausfordernden Situation, wie sie «Return To Sport», darstellt von enormer Bedeutung. Ein solches Team muss interdisziplinär aufgestellt sein und auch als solches zusammenarbeiten.
Einerseits ist fachspezifisches, medizinisches Wissen gefragt, was sich auch im nachfolgend beschriebenen 4-Phasen Rehabilitationskonzept in der Form eines Reha-Teams zeigt. Andererseits ist die Zusammenarbeit mit den sportspezifischen Fachkräften und Bezugspersonen der Athletin oder des Athleten von grosser Bedeutung für ein erfolgreiches Gelingen.
Athletin und Athlet im Zentrum
Leistungssportlerinnen und –sportler sind in der Regel sehr motiviert möglichst schnell in den Sport zurückzukehren. Einerseits gilt es, diesen Prozess als Team so zu strukturieren und begleiten, dass die Massnahmen mittels Anwendung von «best practice» zum gewünschten Ziel innerhalb des RTS führen. Anderseits gilt es aber auch, individuell auf die Athletin oder den Athleten einzugehen.
Gerade in schwierigeren Phasen auf dem Weg zurück muss entsprechend unterstützt und das Projekt auf Kurs gehalten werden; da kommt der Trainerin und dem Trainer als nahe Bezugsperson mit Kenntnis der (Ziel-) Anforderungen in der Sportart eine grosse Bedeutung zu.
Vier Phasen der Rehabilitation
Um nicht nur möglichst rasch, sondern auch erfolgreich und nachhaltig wieder auf dem gewünschten Leistungsniveau aktiv zu sein, hat sich folgender Prozess beim RTS in der Praxis etabliert. Er beinhaltet folgende vier Rehabilitations-Phasen:
- Postoperative recovery (Ziel) → Belastbarkeit: Diese Phase beinhaltet die Erholung von der unmittelbaren Verletzung und/ oder Operation. Priorität hat die Heilung je nach Schweregrad und Verletzungsart. Die Führung liegt in dieser Phase hauptsächlich beim Reha-Team, mit vorwiegend medizinischem Fokus.
- Prepare to train → Trainingsfähigkeit: Es geht hier – nebst der weiteren Genesung – um erste vorbereitende Trainingsarten und Ersatztraining. Basis- und Sportartfunktionen für den verletzen Körperteil wiedererlangen.
- Train to perform → Leistungsfähigkeit: In dieser Phase steht der Wiederaufbau von spezifischen Funktionen zur Erreichung der Leistungsfähigkeit im Zentrum. Wiedereinstieg in den spezifischen Trainingsbetrieb.
- Train to compete → Wettkampffähigkeit: Beinhaltet eine Vorbereitung um gezielt wieder für den Wettkampfeinsatz zu trainieren. Formaufbau und Wettkampfbelastungen. In dieser Phase übernimmt die Trainerin oder Trainer auch wieder vermehrt die Führung.
Die Zeitdauer jeder Phase und ein Wechsel zur nächsten hängt einerseits vom Schweregrad der Verletzung als auch von individuellen Fortschritten ab. Besonders die Entscheidung für die Phasenwechsel zu «Train To Perform oder Compete» sind eine Herausforderung. Diese Entscheide werden gemeinsam innerhalb des Teams gefällt und interdisziplinär umgesetzt.
Die Rolle der Trainerin oder Trainer auf dem Weg zurück
Wirkungsvolle Trainerinnen und Trainer zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie sich ihrer jeweiligen Rolle bewusst sind und diese gewinnbringend für die Athletinnen und Athleten einsetzen können.
Je nach Ziel und Situation müssen Trainer/-innen andere, spezielle Rollen einnehmen oder gar gleichzeitig (Rollen-Mix) ausüben. Im Prozess «Return To Sport» ist dieses Rollenbewusstsein enorm wichtig, denn meist ist in diesem Falle eine andere Rolle als üblich gefordert. Gerade in den ersten Phasen ist die Rolle vermehrt im Hintergrund, denn der Lead liegt bei (sport)medizinischen Spezialisten.
Vom «Trainerin-, Trainer- oder Coach-Sein» verlagert sich der Fokus und das Bedürfnis hin zur Beraterinnen oder Berater, die dank Erfahrung, Sozialkompetenz und Netzwerk situationsgerecht und der Athletin/dem Athleten lohnend auf dem Weg zurück zur Seite stehen kann.
Mehr zum Thema : Die sechs Rollen einer Trainerin/ eines Trainers.
Oft sind in einer solchen Situation auch Leaderqualitäten gefordert, in diesem Falle insbesondere beim Wiedereinstieg ins wettkampfspezifischen Training oder letztlich in den Wettkampfbetrieb.
Trainer/-innen in einem RTS Team
Um wirkungsvoll in einem interdisziplinären Team zusammenzuarbeiten benötigen Trainerinnen und Trainer ein Vielzahl von Kompetenzen, welche sie bereits mitbringen, oder die Chance haben sich weitere anzueignen. Folgende Kompetenzen sollen ins interdiziplinäre RTS Team unbedingt eingebracht werden.
- Fachkompetenzen: Sportartspezifisches Wissen («Was es braucht, um…», Ersatztrainingsmethoden), Sportwissenschaftliches Basiswissen (medizinisch, psychologisch, biomechanisch, physiologisch etc.) zwecks Verständnis und Vernetzung.
- Sozialkompetenzen: Kooperation und Kommunikation mit verschiedensten Personen im Team und ausserhalb, Konfliktfähigkeit wie auch Empathie der verletzen Athletin oder Athleten gegenüber.
- Selbstkompetenzen: Selbstmanagement, Werte, Fähigkeit sich der Situation anzupassen und mit einem positiven Mindset zielbezogen günstig zu beinflussen.
Dazu sind Fertigkeiten zur Führung, Koordination/ Organisation/ Planung sowie Analyse- und Transferfertigkeiten von grossem Nutzen.
Mein Beitrag als Trainer/-in
- Teamplayerin/ Teamplayer: Nimm die dir zugewiesene Rolle in einem interdisziplinären Team an und setze sie entsprechend um.
- Beraterin/Berater: Stehe sowohl dem interdisziplinären Team, aber auch den Athletinnen und Athleten als Beraterin oder Berater mit deiner Erfahrung und Kompetenz zur Seite.
- Leaderin/Leader: Führe aktiv, leistungsorientiert und kommunikativ dort wo es von dir gefordert wird, übernehme Verantwortung wo nötig.
- Bezugsperson: Als Trainerin oder Trainer bist du immer eine sehr wichtige Bezugsperson für die Athletinnen und Athleten. Im RTS Prozess kannst du hier ganz speziell gefordert sein. Nimm diese Aufgabe mit einem positiven Mindset an, denn eine solche Unterstützung kann ein entscheidender Erfolgsfaktor sein.
Erfolgsfaktoren für RTS
- Klare Zielorientierung mit Athletin oder Athlet im Zentrum
- Agieren als interdisziplinäres Team, mit klaren Rollen
- Best practice Rehabiliatations-Handlungsschema
- Sportart- und athletenspezifische Flexibilität
- Fokus behalten, angepasst auf Ziel, Etappen und Rollen
- Langfristige Perspektive und Voraussetzungen einbeziehen
- Netzwerk präventiv aufbauen und als Team bei Bedarf aktivieren
Quellen & weiterführende Literatur
- Balyi, I., Way, R., Higgs, C. (2013). Long-Term Athlete Development. Champaign: Human Kinetics
- Dijkstra, HP, Pollock, N., Chakraverty, R. et al (2014). Managing the health of the elite athlete: A new integrated performance health management and coaching model. Br J Sports Med. 2014; 48: 523-531
- Kalberer L., Meyer S., Gojanovic, B. (2013). Einsatz eines neuen, multifaktorellen «Return to Competition Score» für Athleten nach einer vorderen Kreuzbandruptur (pdf). Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie 61 (2), S. 31-34, 2013
- Müller H. (2021): Die sechs Rollen einer Trainerin/ eines Trainers (mobilesport.ch) (abgerufen am 17.11.2021)
- Trachsel, S., Leumann, A., Meyer, St., Friedli, M., Noack, P. (2015). Vom komplexen OSG-Trauma zu Olympia-Gold in 85 Tagen. Sportphysio 2015;3: 166-174