Sporthypnose, Atmungstechniken wie Wim-Hof oder doch Meditation?
Was genau bewirkt jetzt eigentlich Sporthypnose und was sind Atmungstechniken, wie beispielsweise die Wim-Hof Methode? Oder wäre doch eher eine Meditation gut? Und was hat es eigentlich mit dieser Achtsamkeit auf sich? Sind das alles nur Trends, die mehr versprechen, als sie einhalten können? In diesem Beitrag erfahren Trainerinnen und Trainer, was hinter diesen Trends im Bereich Mentaltraining steckt. Was sind diese Methoden, was sind sie nicht, was können sie und was können sie nicht?
Thich Nhat Hanh «Der gegenwärtige Moment ist die einzige Zeit über die wir bestimmen können».
Autorinnen: Manuela Müller (Verantwortliche Fachbereich Sportpsychologie und Coach Developer), Monika Kurath (Verantwortliche Diplomtrainerlehrgang), Trainerbildung Schweiz
Richtig, Thich Nhat Hanh war und ist kein Sportler, sondern ein buddhistischer Mönch, der die Lehre der Achtsamkeit in den Westen brachte. Er wollte den positiven Nutzen der Achtsamkeit allen zugänglich machen, unabhängig der Religion. Dieser positive Nutzen des vollen Bewusstseins im gegenwärtigen Moment erscheint auch der Trainerin Alina sehr interessant. Athletinnen und Athleten, egal ob auf Spitzensportniveau oder im Nachwuchsbereich, können lediglich auf den gegenwärtigen Moment Einfluss nehmen, in welchem sie die sportspezifischen Bewegungen ausführen. Trotzdem tendieren wir Menschen dazu, gedanklich immer wieder in die Vergangenheit und Zukunft abzuschweifen.
Achtsam den Moment beeinflussen
Alina würde gerne ihren Athleten/-innen etwas mehr Achtsamkeit vermitteln. Ihnen aber auch einen Weg aufzeigen, damit sie lernen mit ihren abschweifenden Gedanken, Sorgen, Ängsten, Blockaden, fehlendem Selbstvertrauen usw. besser umzugehen. Die Methode ACT (siehe Box) hat Alina bereits in einem Lehrgang der Trainerbildung Schweiz kennengelernt.
Obwohl Alina diese sechs psychischen Schritte den Athleten/-innen im Training nähert bringt, hat sie das Gefühl, es wäre gut, würden die Athleten/-innen mit individuellen Methoden selbst an ihren anstehenden Themen arbeiten.
Acceptance and commitment therapy ACT basiert auf achtsamkeits- und akzeptanzbasierten Strategien, die mit Interventionen zur Werteklärung kombiniert werden. Die sechs Prozesse der Akzeptanz, der Defusion, des im Hier und Jetzt sein, des Selbst als Kontext, der Werte und des engagierten Handelns fördern die Achtsamkeit. Dabei sollen Emotionen statt unterdrückt, akzeptiert und in positiver weise neu bewertet werden. Die daraus resultierende psychische Flexibilität ermöglicht es, offen zu fühlen und denken und dabei stressfreier Lösungen zu finden.
Tiefenentspannt das Unterbewusstsein verändern
Daniel, ein Athlet von 23 Jahren, ist seit längerem immer wieder angeschlagen und erhofft sich endlich eine verletzungsfreie Saison. Allerdings hat er bereits zu Beginn schon grosse Angst vor der nächsten Verletzung. Im Training ist er deshalb eher zurückhaltend unterwegs. Und auch am Wettkampf kann er seine Ängste nicht ganz ablegen.
Nun ist für ihn klar: So kann es nicht mehr weitergehen. In Absprache mit der Trainerin Alina entscheidet er sich, die Sporthypnose auszuprobieren. Offen, erwartungsvoll und gespannt lässt er sich auf diese neue Erfahrung ein.
Hypnose ist ein wohltuender, natürlicher Zustand zwischen Wachsein und Schlaf. In diesem veränderten Bewusstseinszustand herrscht eine noch tiefere Entspannung, die den Zugang zum Unterbewusstsein ermöglicht. Dabei können automatisierte Prozesse komplexer Bewegungen, Gewohnheiten und Emotionen verändert und angepasst werden, insofern man bereit ist, sich darauf einzulassen.
Nach der Schilderung seiner Ausgangslage und des Ziels folgt Daniel den Anleitungen der Person, welche die Sporthypnose leitet. Ist er in der Hypnose so richtig tiefenentspannt, werden ihm Fragen gestellt, sowie allfällige Erfahrungen und Gefühle abgerufen. Über positive Suggestionen (Wörter oder Sätze) werden in seinem Unterbewusstsein Veränderungen im Empfinden, der Wahrnehmung, den Gedanken, den Gefühlen oder dem Verhalten bewirkt.
Daniel hat gemerkt, dass er während der Hypnose denken, analysieren, hören und sich gar bewegen kann. Er kann jederzeit kontrollieren, was er bereit ist zu äussern, etwas ablehnen, wenn er es nicht will, er könnte gar die Augen öffnen, aufstehen und gehen. Mit der Sporthypnose kann an unterschiedlichen Themen gearbeitet werden. Typisch sind Ängste, Blockaden aber auch der Umgang mit Druck und Stress.
Suggestion steht laut Hansen & Benjenke (2010) für «eine Anregung geben», «einen Vorschlag unterbreiten», «eine Möglichkeit anbieten» und wird von dem Verb «to suggest (vorschlagen/empfehlen)» abgeleitet. Unabhängig des Themas soll mit Suggestionen das Denken, Fühlen, Wollen oder Handeln so beeinflusst werden, dass eine Weiterentwicklung der sportlichen Leistung ermöglicht wird.
Atemregulierend sein Potential ausschöpfen
Mara (18-jährig) befindet sich aktuell in einem Hoch und liefert top Leistungen ab. Sie spürt, dass noch mehr drin liegt und möchte gerne über sich hinauswachsen. Vermehrt hat sie in letzter Zeit von unterschiedlichen Atemtechniken gehört, unter anderem auch von der «Wim Hof Methode». Mara hat dies gegoogelt und der Iceman hat sie irgendwie inspiriert.
Durch das Kältetraining und seine Atemtechnik hat Wim Hof gelernt, sein sympathisches Nervensystem und somit neben der Atmung auch seinen Herzschlag und die Blutzirkulation zu kontrollieren. Seine Methode scheint auch die Immunantwort des Körpers positiv zu beeinflussen (Erhöhung der entzündungshemmenden Mediatoren). Da Mara bereits gute Erfahrungen gemacht hat mit Atemregulation und die kühlen Wintertemperaturen mag, startet sie einen Versuch mit dieser Methode.
Die Atemregulation generell gehört zu den drei psychologischen Grundtechniken im Mentaltraining. Sie hat zum Ziel, entweder das parasympathische Nervensystem zu aktivieren, um Stress zu reduzieren oder das sympathische Nervensystem zu aktivieren, um Energie und Wachsamkeit zu erhöhen. Dies ist auch die Basis der aktuellen Trends im Bereich der Atemtechniken, wobei diese ihren eigenen Rhythmus der Atmung propagieren, um so noch spezifischer einzelne Effekte auszulösen.
Die Wim Hof Methode beispielsweise lehrt uns, den Fokus auf die Dinge zu erhöhen, die wichtig sind, Stressoren loszulassen und die Gesundheit positiv zu beeinflussen. Sie basiert auf drei Säulen: der Atmung, der Kälteaussetzung und dem Engagement. Mara hat aber gelesen, dass die Atemtechnik bei der Wim Hof Methode mit Vorsicht anzugehen ist. Wim Hof selbst warnt auf seiner Seite, dass man mit seiner Atemtechnik die Kontrolle über Bewegung oder das Bewusstsein verlieren kann.
- Wim-Hof Methode: Durch Nase oder Bauch einatmen, Bauch nach aussen drücken, Ausatmung geschieht ohne Kraftaufwand. Beim 30igsten Mal einatmen die Luft anhalten bis einen das Gefühl überkommt, atmen zu müssen. Beim folgenden Atemzug nochmals die Luft für 15 Sekunden anhalten. Zyklus 3 bis 4 Mal repetieren > Fokus, Stress reduzieren, Immunabwehr erhöhen
- Box-Breathing: Einatmen, Anhalten, Ausatmen, Anhalten für je die gleiche Dauer > Stress reduzieren, Fokus und Klarheit
- Buteyko-Methode: langsam und weniger tief atmen, um CO2-Gehalt im Blut zu erhöhen > erhöhte Sauerstoffversorgung, hilft bei Atembeschwerden
- Vagusnerv-Stimulation: Langsames tiefes Atmen mit summenden oder brummenden Geräuschen > Entspannung, unterstützt Verdauung
- Feueratem (Kapalabhati): Reihe schneller, kräftiger Ausatmungen mit den Bauchmuskeln, passive Einatmung > Erhöhte Energie, Reinigung der Atemwege und Stärkung der Bauchmuskulatur
- Und viele weitere…
Meditierend zu mehr Selbsterkenntnis
Die Gedanken von Luan drehen und drehen sich in seinem Kopf. Er kann das Gedankenkarussell nicht stoppen, weder beim Einschlafen, noch im Training, geschweige denn, im Wettkampf. Es fällt Luan schwer sich zu fokussieren und er ist zwischenzeitlich mental sehr müde. Da er auch neben dem Sport sehr viel um die Ohren hat und kaum zur Ruhe kommt, empfiehlt ihm die Trainerin, sich mit dem Thema der Meditation auseinanderzusetzen. Luan ist noch nicht ganz überzeugt von diesem Stillsitzen und probiert zuerst selbst zu meditieren. Aber was macht man während einer Meditation?
Meditation kommt vom lateinischen Wort «Meditari», was so viel bedeutet wie sich in Gedanken und Betrachtungen versenken, über etwas Nachsinnen. Heutzutage geht es mehr darum, sich in sich selbst zu versenken, im Hier und Jetzt, und den gegenwärtigen Moment zu erforschen. Hierzu gibt es unzählige Techniken, welche unterschiedliche Aspekte betonen und allesamt unter dem Begriff Meditation zusammengefasst werden. Unabhängig der Meditationstechnik, spielt die Beobachtung des Atems eine zentrale Rolle. Aber auch Gefühle, Gedanken, Sinneseindrücke sowie Körperempfindungen werden während der Meditation, ohne an ihnen fest zu halten, mit einer offenen Haltung wertefrei beobachtet.
Luan hat sich nach seinem ersten Selbstversuch an eine geführte Meditation angeschlossen. Nach einem kurzen Einstieg über die Atmung werden ihm Anleitungen und Hinweise gegeben, wohin er seine Achtsamkeit lenken soll. Die Meditation kann auch gewisse Aktivitäten wie Gehen, Summen oder andere Bewegungen beinhalten. Die meiste Zeit aber hat Luan für sich um sich in sich selbst zu versenken, sich wahrzunehmen, Gedanken und Gefühle zu beobachten und weiterziehen zu lassen. Dass die Meditation selbst eine Achtsamkeitsübung ist, welche die Selbstwahrnehmung, Selbstregulation und somit auch die Selbsterkenntnis ins Zentrum stellt, hat er sofort verstanden. Der ruhige, entspannende Zustand mit wachem und klarem Geist hat Luan irgendwie gutgetan.
Eine Meditation kann unter anderem auch ein Mantra (ein Wort oder eine Wortgruppe), ein Thema, ein Objekt oder die Bewegung in den Fokus stellen (Sedlmeier, 2016)
Ein kleines Beispiel möglicher Arten der Meditation:
- Sitzmeditation mit unterschiedlichem Fokus (z.B.: Vipassana > achtsame Wahrnehmung / Metta > (selbstlose) Liebe, Freundlichkeit, Freundschaft
- Gehmeditation > achtsames Gehen
- Formen von Yoga (bspw. Kundalini Yoga > immer mit Mantren, aktiv oder sitzend)
- Aktive Meditation von Osho (Ausdrücken von angestauten Gefühlen)
- und viele weitere….
Der richtige Weg ist immer individuell
Schön und gut, die Athleten/-innen haben einen Weg eingeschlagen. Aber ist es der richtige? Bringt dieser Weg die Athleten/-innen nun weiter oder wäre doch eine andere Technik die richtige? Fragen, die der Trainerin Alina nach wie vor durch den Kopf gehen.
Bekanntlich führen viele Wege zum Ziel… Die Herausforderung besteht wohl darin, den für sich stimmigen Weg zu finden. Sei dies nun über einen ruhigen, konzentrierten und bewussten meditativen Zustand, einen tranceähnlichen Zustand zwischen Wachsein und Schlaf in der Sporthypnose oder irgendeinen anderen Weg. Alina macht für sich gerade die Erkenntnis, wie wichtig ihre Offenheit gegenüber all diesen Methoden ist. Ihr ist bewusst, dass es noch weitere bekannte Methoden im Bereich des Mentaltrainings gibt. Sei dies aus dem klassischen Bereich, wie z.B. das Visualisieren und die Selbstgespräche, oder auch das autogene Training und die Progressive Muskelrelaxation (siehe Box). Letztere dienen primär der Entspannung. Unabhängig ihrer eigenen Empfindung, ist es für Alina wichtig die Athleten/-innen darin zu unterstützen, die für sie stimmige Methode zu finden. Mit ihnen gemeinsam Zielorientierung, Wirkungen und allfällige Risiken abzuklären und besprechen.
Es bleibt abschliessend zu erwähnen, dass keiner der genannten Trends die bekannten und klassischen Methoden im psychologischen Training restlos ersetzen. Auch sollte eine einzige Methode nicht einfach für alles eingesetzt werden, auch wenn sie im Internet fast alles verspricht. Die unterschiedlichen Methoden können Athleten/-innen auf ihrem Weg zur optimalen Leistung unterstützen und weiterbringen. Bei der Wahl der Methode sollen primär die Ausgangslage, das Ziel, die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der betroffenen Person berücksichtigt werden. Aber auch die Wirksamkeit der Methode, sowie die Bereitschaft und Offenheit der Person sich auf eine der Methoden einzulassen.
Weitere bekannte klassische Techniken des Mentaltrainings
Quellen und Literatur
- E. Hansen & C. Bejenke (2010). Negative und positive Suggestionen in der Anästhesie. Verbesserte Kommunikation mit ängstlichen Patienten bei Operationen. Der Anästhesist, 59(3), S. 199-209.
- B. Hölzel, S. W. Lazar, T. Gard, Z. Schuman-Olivier, D. R. Vago und U. Ott (2011). How Does Mindfulness Meditation Work? Proposing Mechanisms of Action From a Conceptual and Neural Perspective
- M. Kox, P. Pickkers et al. (2014). Voluntary activation of the sympathetic nervous system and attenuation of the innate immune response in humans
- U. Ott (2011). Meditation für Skeptiker
- P. Sedlmeier (2016). Die Kraft der Meditation
- T. L. Webb, E. Miles, P. Sheeran: Dealing With Feeling: A Meta-analysis of the Effectiveness of Strategies Derived From the Process Model of Emotion Regulation. Psychological Bulletin. Band 138, Nr. 4. American Psychological Association, 2012, S. 775–808.
- M. Williams und J. Kabat-Zinn (2013). Mindfulness
- J. Zwaag, R. Naaktgeboren, AE. van Herwaarden, P. Pickkers, und M. Kox. The Effects of Cold Exposure Training and a Breathing Exercise on the Inflammatory Response in Humans: A Pilot Study
- www.mindful.org
- Meditation, Trance, Hypnose, Schlaf : Zwischen Wachen und Schlafen | Gesund leben | Gesundheit | Verstehen | ARD alpha
- Hypnose und Meditation – Ein neurologischer Vergleich (mindgroup.ch)
- Definitionen von Hypnose und Suggestion | Hypnosis And Suggestion