Trainingsplanung und –steuerung: Betrachtungen eines Sandwiches
Training zu planen und zu steuern gehört zum Kernbusiness einer Trainerin/eines Trainers und ist eine faszinierende Angelegenheit. Um die Komplexität des Ganzen aufzuzeigen und sich den elementaren Dingen in dieser Planung und Steuerung (allenfalls erneut) bewusst zu werden, zeigt dieser Blogbeitrag auf simple Art und Weise die zentralen, unabdingbaren Elemente im Planungs- und Steuerungsprozess auf.
Blog-Beiträge der Trainerbildung Schweiz (TBS)
Die Trainerbildung Schweiz (TBS) baut ihr digitales Angebot zur Unterstützung von Trainerinnen und Trainern stetig aus. Dazu publizieren wir regelmässig spannende Blog-Beiträge sowie Tipps und Tricks für Training und Wettkampf.
Autor: Iwan Schuwey, Verantwortlicher französischsprachige Trainerausbildung. Trainerbildung Schweiz
Steigen wir gleich ein mit dem «Regelkreis der Trainingssteuerung»: Dieses Prozessmodell bildet die Basis all unserer Überlegungen und Entwicklungen. Nebst der Erfahrung des Trainers ist der stetige Vergleich des IST und des SOLL Wertes, d.h. der Vergleich zwischen der Athleten- und Trainingsanalyse mit der Weltstands- und Wettkampfanalyse ein absolutes Muss, um die sportliche Leistung optimal zu entwickeln.
Adrian Rothenbühler, Trainer des Jahres 2019, vergleicht diesen Regelkreis gerne mit einem vorzüglichen Sandwich. Damit ein Sandwich perfekt ist, braucht es zunächst einmal oben und unten gutes Brot und erst dann in der Mitte all die köstlichen Zutaten. Ein Trainer muss in diesem Sinne alle Parameter berücksichtigen und bestens kennen – nur so kann er in seinem Kerngeschäft Exzellenz anstreben.
Befassen wir uns mit der Basis, mit der untersten Brotschicht unseres Sandwichs. Hier geht’s um die Sportart-, sowie die Weltstands- und Wettkampfanalyse. Nur wenn der Trainer seine Sportart und die Bedeutung aller einzelnen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nationalen und internationalen Entwicklungen wie auch die Wettkampfleistung als Ganzes oder unterteilt in Teilleistungen perfekt kennt, erfüllt er die Grundvoraussetzungen, um die sportliche Leistung seines Athleten oder seines Teams verbessern zu können.
Sportarten-Analyse
Die Bedeutung und Gewichtung der einzelnen Paramater hat schliesslich einen entscheidenden Einfluss auf die Trainingsplanung allgemein – runtergebrochen sogar bis zur einzelnen Trainingseinheit. Daher ist eine Analyse der leistungsbestimmenden Fähigkeiten in der entsprechenden Sportart von immenser Wichtigkeit, zeigt sie doch den Weg auf, den es im Training mit jedem einzelnen Athleten einzuschlagen gilt.
Jeder seriös arbeitende Sportverband, jeder im Leistungs- und Spitzensport tätige Trainer muss diese Analyse durchgeführt haben und die entsprechenden Konsequenzen ins Training einfliessen lassen.
Weltstandsanalyse
Ziel der Weltstandsanalyse ist die Objektivierung von Entwicklungstendenzen einer Sportart oder Sportartengruppe im internationalen Wettkampfsport. Dabei werden allgemeine Entwicklungs-tendenzen, Tendenzen der Leistungsentwicklung und nationale Entwicklungstendenzen unterschieden, welche die Wissenschaftler mittels Beobachtung und Analysen olympischer Wettkämpfe, Welt- und Kontinentalmeisterschaften, Dokumentenanalysen und Literaturrecherchen erheben.
Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, den Weltstand in einer Sportart zu analysieren. Hier ein anderes Beispiel mit etwas anderen Paramatern, die eine umfassende Analyse genauso gut ermöglichen.
Es verhält sich mit der Weltstandsanalyse genau gleich wie mit der Sportartanalyse. Wer international mithalten will, verfolgt Tendenzen und Entwicklungen genauestens und lässt die Erkenntnisse in der Trainings-Planung und -Umsetzung mit einfliessen.
- Merkblatt Leistungssport-Förderkonzept (pdf) von Swiss Olympic
- Manual Leistungsdiagnostik (pdf) von Swiss Olympic
Wettkampfanalyse
Das Training ist auf die Anforderungen im Wettkampf ausgerichtet (wettkampfspezifische Belastungen). Um diese Belastungen richtig zu planen und zu steuern sind detaillierte Wettkampfanalysen unbedingt nötig.
Diese Ermittlungen und Beurteilungen der Leistung eines Sportlers im Wettkampf, wie jedoch auch die die Analyse der Entwicklung der Struktur der Wettkampfleistung im Sport allgemein sind nächste unabdingbare Schritte, um in seiner Sportart Erfolg zu haben.
Athletenanalyse
Bei der Athletenanalyse – beim Regelkreis der Trainingssteuerung befinden wir uns nun bei der oberen Brotschicht unseres Sandwichs – geht’s darum, den IST-Wert, d.h. den momentanen Entwicklungsstand des Athleten, präzise herauszufinden.
In einem zweiten Schritt wird dieser IST-Wert dann mit dem SOLL-Wert verglichen – d.h., dem Anforderungsprofil der Sportart –, der durch Sportart-, Weltstands- und Wettkampfanalyse ebenfalls im Detail festgelegt wurde.
Folgende Fragen drängen sich bei der Athletenanalyse auf:
- Um welchen Athleten handelt es sich?
- Was wird analysiert?
- Wie mache ich das?
- Warum analysiere ich es?
Fragebogen sind ein Teil dieser Analyse, Resultate von Leistungstests werden herbeigezogen und Unterschiede respektive mögliche Übereinstimmungen bei den Leistungszielen helfen bei der Priorisierung der Entwicklungsschritte.
Trainingsanalyse / Monitoring
Die optimale Belastungssteuerung kann nur über eine gute Trainingsanalyse und ein konsequentes Monitoring erreicht werden. Aus dieser Analyse erfolgt jeweils immer wieder die inhaltlich-methodische Gestaltung des Trainings.
Ziel der Trainingsanalyse ist es, den Vergleich zwischen der Planung des Trainings und der effektiv durchgeführten und gefühlten Belastung zu machen. Nur so kann die Leistungsentwicklung präzise geplant werden. Das ermöglicht eine optimale Trainingssteuerung.
Folgende Fragen müssen fortwährend gestellt werden:
- Welche Informationen brauche ich, damit die nächste Trainingseinheit möglichst optimal geplant werden kann?
- Entspricht meine detaillierte Wochenplanung des Belastungsverlaufes meiner Jahresplanung?
- Entspricht die Beanspruchung der Athleten meiner Vorstellungen? D.h.: Habe ich mit diesem Training oder Zyklus oder Woche mein Ziel erreicht?
Nur wenn man sich allen Parametern bewusst ist und die auch konsequent in die Analyse des Ganzen integriert, ist eine richtige Trainingssteuerung mit optimalen Belastungen möglich.
Ist-Soll Vergleich
Die Zutaten
Wir befinden uns nun in der Mitte des Regelkreises. Adrian Rothenbühler kennt den Weltstand im Sprint und im Siebenkampf genauestens. Alle relevanten Parameter und deren Entwicklungen sind bekannt und werden fortlaufend analysiert.
Er kennt seine Athletinnen ebenfalls bestens, einerseits aufgrund gezielter Leistungsdiagnostik im Labor und im Feld, anderseits natürlich durch die tagtägliche Arbeit mit ihnen. Er ist sich der sehr unterschiedlichen Profile seiner Athletinnen bewusst, kennt deren aktuellen Leistungsstand, das vorhandene Potential und wie sie auf die verschiedenen Reize und Belastungen reagieren.
Makro-, Meso-, Mikrozyklus
Der Unterschied eines mittelmässigen zu einem vorzüglichen Sandwich ist neben der Brotwahl vor allem die Wahl der Zutaten. Da können wir den Unterschied machen und da befinden wir uns jetzt: Bei der Planung und der effektiven Umsetzung im Training.
Ein Mehrjahresplan kann zum Beispiel ein Olympiazyklus sein. Ein Makrozyklus (MAZ / Dauer mehrere Monate bis ein Jahr) setzt sich aus mehreren Mesozyklen (MEZ / Dauer 3-6, manchmal auch bis zu 12 Wochen) zusammen.
Die Planung anhand von Mesozyklen soll ein optimales Verhältnis zwischen Belastung und Erholung gewährleisten und ein akzentuiertes Training ermöglichen. Die Mesozyklen wiederum steuern aufeinanderfolgende Mikrozyklen. Mikrozyklen bestehen aus mehreren Trainingseinheiten und finden oft in Form eines Wochenzyklus‘ statt.
Wenn eine Wettkampfphase in einer Jahresplanung vorgesehen ist, spricht man von einer einfachen Periodisierung. Sind zwei Wettkampfphasen im Jahresplan integriert, spricht man von doppelter Periodisierung. Eine Jahresplanung wird in verschiedene Phasen unterteilt: Vorbereitungsphase (VP), Vorwettkampfphase (VWP), Wettkampfphase (WP) und Übergangsphase (ÜP).
Die Mesozyklen können mit einer progressiven oder regressiven Dynamik aufgebaut werden und dauern im Generellen zwischen drei und vier Wochen, je nach Phase im Makrozyklus beziehungsweise in der Jahresplanung.
In der Literatur findet man unter Mesozyklus unterschiedliche Angaben. Man spricht beispielsweise von grundlegenden Mesozyklen, Vorbereitungs-, Vervollkommnungs-, Kontroll-, Wettkampf-, Vorwettkampf- und Zwischenmesozyklen (Metwejew).
Prinzipien der Trainingsplanung
Geht man von der Grobplanung immer tiefer in die Feinplanung, sollte man sich unbedingt an sieben methodische Grundsätze der Planung halten. Die Priorisierung dieser Grundsätze ist abhängig von der Sportart und der Ausgangslage der Planung:
- Trainingswirksamer Reiz: Eine gewisse (Reiz-) Schwelle muss überschritten werden
- Individualisierte Belastung: Die Trainingseinheiten auf die Individuen anpassen
- Ansteigende Belastung: Steigern des Umfangs, dann der Komplexität, dann der Intensität
- Richtige Belastungsfolge: Setzen von Schwerpunkten in den Einheiten
- Variierende Belastung: Integration von neuen Trainingsformen
- Wechselnde Belastung: Abwechselnde Belastung und Erholung verschiedener Strukturen
- Optimales Verhältnis von Belastung und Erholung: Bewusstes Planen der Erholung
Die Trainerin/der Trainer muss sich bei seiner Trainingsplanung die Frage stellen: Was will ich bewirken/verändern?
Für diese Veränderung braucht es eine Störung, einen spezifischen Reiz. Dazu werden die Trainingsinhalte ausgewählt. Allzu oft greifen Trainer//innen auf Methoden und Übungen zurück, ohne sich vorher genau zu überlegen, welche Veränderungen ausgelöst werden sollen.
Üblicherweise stellt ein Mikrozyklus einen Wochen-Trainingsplan dar. Auch da geht es darum, die einzelnen Trainingseinheiten optimal aufeinander abzustimmen. Es ist wie ein Puzzle, bei dem die einzelnen Teile perfekt passen müssen, damit das Gesamtkunstwerk dann stimmt. Man variiert auch da Volumen, Intensität, Übungen usw.
Die Betrachtungen unseres Sandwiches sind nun abgeschlossen. Wir haben uns zuerst mit der unteren und oberen Brotschicht befasst und erst im zweiten Schritt mit den Zutaten, die das Sandwich schliesslich so schmackhaft machen. Dem muss unbedingt Rechnung getragen werden.
Der Berner Troubadour Mani Matter wusste bereits 1972:
«Was isch es Sändwitsch ohne Fleisch – s isch nüt als Brot
Was isch es Sändwitsch ohne Brot – s isch nüt als Fleisch
Ersch wenn d mit Fleisch dys Brot beleisch
Ersch wenn d mit Brot umgisch dys Fleisch
Berchunnsch es Sändwitsch: Brot und Fleisch
Lue, dass Du däm geng Rächnig treisch.»