Umgang mit Gewalt – Training

Mangelnde Zivilcourage

Leidenschaft, Emotionen und harte Checks gehören im Eishockey zum Wettkampfalltag. Viele denken dabei bereits an Gewalt. Ein Trainer schildert einen Mobbing- und Gewalt-Vorfall, der sich innerhalb des eigenen Teams abseits des Eisrinks abspielt.
Gestellte Szene: Eine Person liegt am Boden, eine andere schlägt auf sie ein, andere Jugendliche wenden sich von der Szene ab.

Das Team zeichnet sich durch seinen (inneren) Zusammenhalt aus, wobei die Rollen durch unterschiedliche Spielertypen klar belegt sind. Einer der Spieler, der eher ruhiger Natur ist, wird zunehmend zur Randfigur. Er zeigt zwar vorbildliche sportliche Leistungen, doch nützt er die Phasen der Regeneration bevorzugt zur Lektüre eines Buches oder um früh schlafen zu gehen.

In einer Phase zwischen Eistraining, polysportivem Training und Theorie haben die Spieler einen kurzen freien Augenblick. In dieser Zeitspanne beschliessen vier Spieler, sich ein wenig auszutoben. Sie fesseln besagten Spieler und werfen ihn von der Massagebank auf den Boden, wo das Opfer mit Fusstritten gedemütigt wird. Nach Aufklärung des Vorfalls geben die Täter Langeweile als Tatmotiv an.

Fragen

  • Wer sind die sichtbaren beziehungsweise unsichtbaren Leader innerhalb des Teams?
  • Was passiert mit Teammitgliedern, wenn sie sich etwas ausserhalb der Norm bewegen, zum Beispiel die mehrheitlich praktizierte Pausen- und Freizeitgestaltung ablehnen?
  • Wie kann ein Fall, bei dem die physische und psychische Integrität eines Jugendlichen massiv verletzt wird, «aufgeklärt» werden?
  • Weshalb kann eine Minderheit solche Taten verüben, ohne dass die Mehrheit des Teams einschreitet?
  • Wer untersucht und (ver-)urteilt, und welche Sanktionen sind in einem solchen Fall angezeigt?

Interventionen

  • Der Trainer toleriert solche Vorkommnisse in keiner Art und Weise. Ein derartiger Fall ist ein Vorfall zuviel! Bevor aufgeklärt ist, was genau geschehen ist, wird nicht zur Tagesordnung (sprich: zum normalen Spielbetrieb) übergegangen.
  • Ursachen und Folgen des Vorfalls werden in Einzel- und Gruppenbefragungen durch den Clubvorstand rekonstruiert.
  • Sanktionen sollen vor allem das Schuldbewusstsein und die Empathie (Einfühlungsvermögen) bei den Tätern fördern und Aktionen der Wiedergutmachung beinhalten. Innerhalb des Teams verlieren die Täter ihre Teamleader-Rolle bis auf weiteres.
  • Mitläufern soll bewusst gemacht werden, dass mangelnde Zivilcourage in diesem Fall mitschuldig macht.

Bemerkungen: Es ist meist nicht eindeutig ersichtlich, wer in der Gruppe der Gleichaltrigen das Sagen hat. Jugendliche, die in ihrem Verhalten von der geltenden Gruppennorm abweichen, zum Beispiel als schulische «Streber» eingestuft werden oder (wie im erwähnten Beispiel) in den Pausen Bücher lesen, können unter Druck gesetzt werden. Dass sich niemand getraut, zivilcouragiert dagegen aufzustehen, weist darauf hin, dass die Gruppenleader an der Spitze der Strafaktion stehen. Wer wegschaut, toleriert Gewalt und macht sich mitschuldig.