Fussball einmal anders
Um Mädchen für Fussball zu begeistern, sollten Lehrpersonen an Interessen und Bedürfnissen der Mädchen anknüpfen und attraktive Lernsituationen anbieten. Dies trägt dazu bei, dass Mädchen Freude am Fussballspielen entwickeln und sich für Fussball als gesellschaftliches Phänomen und wichtiges Thema der modernen Sportkultur interessieren.
In der Schweiz spielen aktuell rund 26 000 Mädchen und Frauen in einem Verein Fussball. Somit hat sich die Zahl der beim Verband lizenzierten Fussballerinnen in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Fussball hat demnach den bisher populärsten weiblichen Teamsport Volleyball abgelöst.
Im Jahr 2015 nahm das Schweizer Frauen-Nationalteam zum ersten Mal an der FIFA Fussballweltmeisterschaft teil. Dieses erfolgreiche Unterfangen hatte zur Folge, dass einige Nationalspielerinnen und ihre Trainerin im Vorfeld und während der WM in Kanada als Expertinnen in den Medien gefragt waren und dadurch an prominenter Stelle auch öffentlich sichtbar wurden. Vor dieser erstmaligen Qualifikation der Schweizerinnen für eine WM-Endrunde hatte das Schweizer Fernsehen noch gar nie ein Spiel der Frauen-Nati live übertragen (Meier, 2004; Meier & Hürlimann, 2012).
Solche Grossereignisse können genutzt werden, um Mädchen an der spannenden Fussball-Welt teilhaben zu lassen und um ihnen einen Zugang zum Fussballspiel, zum Beispiel über Vorbilder, zu ermöglichen. Dank der WM und der ausführlichen Berichterstattung sind nun herausragende Schweizer Fussballerinnen wie z.B. Ramona Bachmann oder Lara Dickenmann einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.
Praxis
Klischees überwinden
Fussball für Mädchen in der Schule wird von den Mädchen – so der Konsens in der Fachdidaktik (z.B. Giessing, 2004; Trieschmann, 2004) – am Liebsten gespielt, wenn sie unter sich bleiben können. Ein Fussballspiel in einer mädchenhomogenen Gruppe heisst aber nicht, dass alle Mädchen dieselben Vorerfahrungen mit dem Fussballsport haben. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen Spielanfängerinnen, Fortgeschrittenen und Könnerinnen (Kugelmann & Sinning, 2004).
Aus sportpädagogischer Sicht und unter der Perspektive der Mädchenparteilichkeit (Frohn, 2004; Wurzel, 2004) sollen Schülerinnen erfahren, dass sie ihre weibliche Identität über die Grenzen herkömmlicher Weiblichkeitsbilder hinaus ausweiten und so bisher vernachlässigte oder verborgene Potenziale entfalten können. Neben der Spielkompetenz und der Freude am Fussballspiel sollen die Schülerinnen positive Ressourcen für die Entwicklung einer selbstbewussten Identität entdecken und nutzen lernen. Solche Lernprozesse können im Schulsport, aber auch sportartübergreifend im Rahmen einer Projektwoche oder in ausserschulischen Sport- und Bewegungsangeboten (Kugelmann & Weigelt, 2006) in unterschiedlicher Art und Weise angeregt und angeleitet werden.
Mädchen für Fussball begeistern
Orientiert an diesen sportpädagogischen Zielsetzungen sollte der Vermittlungsprozess möglichst eng an den Interessen und Bedürfnissen der Mädchen anknüpfen und attraktive Lernsituationen anbieten. Die Möglichkeiten und Übungsformen sollen dazu beitragen, dass Mädchen: Freude am Fussballspielen entwickeln, sich für das Fussballspielen als gesellschaftliches Phänomen und wichtiges Thema der modernen Sportkultur interessieren und sich damit auseinandersetzen, eine nachhaltige Beziehung zur Sportart Fussball aufbauen und gestalten, stark und selbstbewusst werden und ein positives Körperselbstbild finden (Kugelmann & Weigelt-Schlesinger, 2009).
Dabei können auch alltagssprachliche Formulierungen wie z.B. «Frauenfussballerin» thematisiert werden. Weshalb wird nicht von Frauentennisspielerinnen oder von Frauenskifahrerinnen gesprochen? Während die doppelte Weiblichkeitsform im Tennis und Skifahren absurd erscheint, wird sie für den Fussball ganz selbstverständlich verwendet (Meier, 2005).
Fussball in Szene setzen
Ein zentrales Anliegen für die Umsetzung der folgenden Lektionen besteht darin, auf die «übliche» Gliederung der Unterrichtseinheiten in Aufwärmen, Hauptteil und Schluss(spiel) zu verzichten. Es wird nahegelegt, z.B. das Thema «Tore schiessen wie Ramona Bachmann» (vgl. Kasten) als Prozess von Lehren und Lernen zu entwickeln – vergleichbar mit einem Theaterstück.
Das Thema kann dann in folgenden groben Schritten aufgebaut werden:
- in Szene setzen,
- zur Sache kommen,
- die Sache reflektieren,
- die Sache variieren und vertiefen,
- eine Aufgabe / Perspektive über die Lektion hinaus geben.
Fussball mit Kopf, Herz, Hand – und Fuss erkunden
Die Lektionen (siehe Kasten «Praxis») enthalten Ideen und Anregungen für Stunden oder Stundenteile. Sie sind geeignet, die Annäherung an das Thema Fussball für Mädchen abwechslungsreich, mehrperspektivisch, situativ angepasst und mit vielfältigen Anforderungen zu gestalten. Das Prinzip der folgenden Vorschläge besteht darin, den Schülerinnen die Gelegenheit zu geben, die Welt des Fussballspiels mit «Kopf, Herz, Hand – und Fuss» zu erkunden. In diesem Sinne können die folgenden Ideen in den Unterricht bzw. das Training integriert werden, soweit sie zum jeweiligen Thema passen (oder daran angepasst werden).
Die Auswahl der Praxisideen folgt dem Prinzip der Mädchenorientierung, indem einerseits an Vorerfahrungen der Spielerinnen angeknüpft wird, andererseits aber auch neue Kompetenzen vermittelt werden (z.B. Wissen über Fussball, positive Einstellung zum Fussballsport und / oder fussballerisches Können). Es ist zu erwarten, dass die meisten Mädchen begeistert und erwartungsvoll in beide Lektionen gehen, weil sie sich Erfolgserlebnisse und interessante Szenen erhoffen. Tore schiessen – richtig vermittelt – fördert das Selbstbewusstsein der Mädchen und trägt zu einer positiven und motivierenden Atmosphäre bei. Es ist jedoch vor allem – als Teil des Spielgedankens «Tore schiessen und Tore verhindern» (Balz & Dietrich, 1996) – eine Spiel entscheidende Aktion.